Investigativer Journalismus bei Buzzfeed: Viel mehr als nur Katzenbilder

„Buzzfeed“ wurde lange für seine Bilderstrecken belächelt. Die US- und UK-Redaktionen betreiben aber zunehmend ernsthaften Journalismus.

Eine gähnende Katze auf einem Küchentisch

Von „Buzzfeed“ gelernt: Katzen gehen immer. Besonders in Deutschland. Foto: dpa

BERLIN taz | Auf den ersten Blick scheint die Sache eindeutig: Buzzfeed ist nicht irgendeine, sondern die Plattform für drollige und skurrile Katzenbilder im Netz. Der internationale Arm der bald zehn Jahre alten Plattform hält sich sogar eine Katze im Firmenlogo.

Ja, sagt Scott Lamb, der bei Buzzfeed das internationale Geschäft mit leitet, der deutsche Ableger sei auch vor allem das: Entertainment. „Damit kennen wir uns aus“, sagt er und lässt durchblicken, dass Spaßinhalte für das Erfolgsportal bloß Mittel zum Zweck sind.

„Damit bauen wir erst mal unsere Reichweite aus und lernen, die sozialen Netze in den jeweiligen Ländern zu verstehen“, erklärt Lamb. Die zehn Buzzfeed-Redakteure in Berlin hätten momentan vor allem die Aufgabe, witzige Inhalte zusammenzutragen. Das liefern sie bisher auch regelmäßig, versuchen sich aber von Zeit zu Zeit an Stücken zum politischen Tagesgeschehen, etwa zu Flüchtlingen, Rassismus und Sexismus. Konkurrenz machen sie den etablierten Redaktionen damit aber noch lange nicht.

In Großbritannien ist das anders: Die Verantwortlichen der BBC und der großen Zeitungen beobachten die Aktivitäten des britischen Buzzfeed zunehmend mit Sorge. Die dortige Redaktion hat beispielsweise Heidi Blake und Michael Gillard von der Sunday Times für sich gewonnen, zwei der profiliertesten Investigativen des Landes. Blake hat das Gebaren der Fifa mit aufgedeckt. Jane Bradley wiederum hat früher für das Investigativmagazin Panorama gearbeitet.

Buzzfeed UK holte Reporter vom „Guardian“

Mit Janine Gibson und James Ball hat der britische Buzzfeed-Ableger inzwischen zudem einstige Mitarbeiter des Guardian unter Vertrag. Gibson hatte die US-Ausgabe des Guardian aufgebaut, Ball war investigative Reporter der Zeitung und davor Mitarbeiter der Enthüllungsplattform Wikileaks. Buzzfeed, das nach Beteiligungen von mehreren hundert Millionen US-Dollar im Geld schwimmt, wirkt auf Investigative wie ein Magnet.

Bei den Recherchen kooperiert die Plattform mitunter mit traditionellen Medien wie der BBC. Zusammen mit „Newsnight“ – einer allabendlichen Mischung aus Nachrichten- und Politmagazin, wie sie in Deutschland fehlt – deckte Buzzfeed UK beispielsweise Fehlentwicklungen an der Spitze der Hilfsorganisation Kids Company auf.

In den USA fährt Buzzfeed ebenso eine investigative Offensive. Dort heuerten unter anderem Mark Schoofs und Aram Roston an. Schoofs gewann einst den Pulitzer-Preis, Roston zwei Emmys. Andere Rechercheure kamen vom freien Recherchebüro ProPublica. Buzzfeed US kam unter anderem einem Schweinehändler auf die Schliche, der in internationale Waffengeschäfte involviert war – nur ein Scoop.

Teure Imagepflege

Warum aber investiert Buzzfeed in aufwändigen Journalismus? Wollen die Macher des schnellen und bisweilen oberflächlichen Internetportals etwas für ihr Wohlbefinden tun? „Uns geht es nicht um Prestige“, beteuert Lamb. „Niemand wird Investigation betreiben, weil er damit reich wird. Aber es dürfte unserem Geschäft helfen, wenn wir auch eine seriöse Seite zeigen.“

Ob auch das Berliner Büro von Buzzfeed aufwändig recherchieren und dafür vielleicht Investigative vom Spiegel, der Süddeutscher Zeitung oder TV-Magazinen abwerben wird, ist indes unklar. Der deutsche Ableger ist gerade ein Jahr alt geworden. Nutzerzahlen hält es geheim – sensationell dürften sie nicht sein. Und überhaupt: Der Start einer eigenen Recherchetruppe wäre nach der Buzzfeed-Logik auch erst der übernächste Schritt. Erst mal würden zu Spaßinhalten kontinuierliche News kommen. Die englischsprachigen Ausgaben haben der deutschen da viel voraus.

„In Großbritannien haben wir gerade erst angefangen, unsere investigative Einheit auszubauen“, sagt Lamb, der vor einigen Jahren für die kleine englischsprachige Redaktion von Spiegel Online gearbeitet hat. „Es ist noch etwas zu früh, um darüber zu reden, ob wir auch in Deutschland eine Rechercheeinheit gründen werden.“

Womöglich wäre ja hierzulande ein anderes Feld erst einmal spannender: Regionalnachrichten. Auch das probiert Buzzfeed nun in Großbritannien aus. Während zahlreiche traditionelle Häuser wie die BBC sparen, sucht das Buzzfeed-Büro in London neue Mitarbeiter. Zunächst vier sollen über den „regionalen Beat“ berichten, aus Nordengland, Schottland und Wales. Da soll noch mal jemand sagen, das Lokale sterbe aus.

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