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: Nicht alle ergeben sich

„Ich war neunzehn“ (Regie: Konrad Wolf), ab rund 12 Euro im Handel erhältlich

Schon Mitte der fünfziger Jahre planten Konrad Wolf und sein Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase einen Film, in dem ein junger, 1945 in die Sowjetunion gelangter Deutscher von dort in jenen Teil seiner alten Heimat zurückkehrt, der nun DDR heißt. Aus dem Projekt mit dem Titel „Weg in die Heimat“ wurde nichts, Studiodirektor Hans Rodenberg beschied die beiden barsch: „Unsere DDR mit dem fremden Blick von einem anderen Stern betrachtet, das ist nicht die Perspektive, die wir jetzt brauchen.“

„Ich war neunzehn“, 1967, also kurz nach den rigiden Zensurbeschlüssen des 11. Plenums des ZK, entstanden, präsentiert einen anderen Blick. Der Held ist ebenfalls jung, er war mit seinen kommunistischen Eltern nach Hitlers Machtergreifung in die Sowjetunion gelangt, nun kommt er in den letzten Kriegstagen nach Deutschland zurück. Er ist Leutnant der Armee, ist die deutsche Stimme des Siegers, die Stimme im Lautsprecherwagen, er sammelt versprengte Reste der Wehrmachtstruppen rund um Berlin als Kriegsgefangene ein. Nicht alle ergeben sich, noch nach Hitlers Tod kommt es zu Scharmützeln. Für ein paar Tage wird der junge Mann, Gregor Hecker, sogar Stadtkommandant des bereits eroberten Städtchens Bernau. Dann geht es weiter.

Nicht nur in diesem Detail ist „Ich war neunzehn“ ein autobiografischer Film: Er erzählt nah an den Erlebnissen Konrad Wolfs, Sohn des Schriftstellers Friedrich Wolf und Bruder des späteren DDR-Spionage-Chefs Markus Wolf, 1967 auch international schon als bedeutender Defa-Regisseur anerkannt. Er war im Exil in Moskau sowjetischer Staatsbürger geworden und greift im gemeinsam mit Wolfgang Kohlhaase verfassten Drehbuch in vielen Momenten auf seine Tagebücher aus den letzten Kriegstagen zurück. Entsprechend ist der Film tage­buchartig erzählt, datiert Tag für Tag, vom 16. April bis in den Anfang des Mai, zerfällt in Episoden, die der Protagonist und die ästhetische Machart zusammenhalten, keine Spannungsdramaturgie, kein durchgehender Plot. Figuren tauchen auf und verschwinden, zwischen Orten, Tagen, Episoden liegen Ellipsen, nur selten erklärt der Erzähler einen Zusammenhang aus dem Off.

Gleich zu Beginn treibt ein Gehängter, ein deutscher Deserteur, über den Fluss, auf und davon. Man sieht in raschen Schnitten Bilder des Kriegs, einfahrende Panzer, Geschichten beginnen sich in einzelnen Szenen zu entfalten, für die Entwicklung von Dialogen, Atmosphären ist zwischendurch immer wieder viel Zeit. In der Zitadelle Spandau sind noch Soldaten verbunkert, die Verhandlungen über die Aufgabe ziehen sich hin. Auf den schwäbischen Festungskommandanten blickt der Film wie auf manch anderen der resignierten Wehrmachtsoldaten nicht ohne Sympathie. Die ideologischen Fronten sind klar, aber es ist kein Film der Helden oder Pappkameraden.

An einer stabilen Einrichtung der Szenen und Bilder hat die Kamera kein Interesse

Die konsequente Heterogenität der einzelnen Episoden macht vieles möglich, nicht nur die Darstellung einer recht ausgelassenen Feier zum 1. Mai, sondern auch die Einfügung eines (realen) Dokumentarfilms, in dem ein KZ-Henker unter anderem vorführt, wie die Vergasung der Häftlinge mittels Blausäure funktionierte. Geschönt ist der Blick auf die sowjetische Armee, von den vielfach bezeugten Vergewaltigungen ist nur in leisester Andeutung einmal die Rede. Davon abgesehen ist „Ich war neunzehn“ ein sehr nüchterner und nuancierter Bericht. Gedreht in Schwarzweiß, mit einer Kamera, die nicht an der stabilen Einrichtung der Szenen und Bilder interessiert ist, sondern ein ständiger Unruheherd bleibt. Einer der besten und interessantesten Defa-Filme mithin, den Icestorm nun in einer neuen HD-Restauration auf DVD herausgebracht hat.

Ekkehard Knörer