Deutsche Auto-Exporte: „Getrickst in Germany“

Die VW-Affäre bedroht den Verkauf des wichtigsten deutschen Produkts. Die Auto-Industrie ist für knapp ein Viertel aller Exporte verantwortlich.

Ein Dieselmotor von VW.

Deutsche Kfz-Technologie gilt schon lange als innovativ. Deutsche Manipulationstechnologie neuerdings auch – ein Dieselmotor. Foto: Reuters

BERLIN taz | Der VW-Skandal trifft die deutsche Wirtschaft in ihrem Kern. Denn Autos sind ihr allerwichtigstes Exportgut; sie sind weltweit das Synonym für „Made in Germany“. Wer an deutsche Qualitätsgüter denkt, denkt an Daimler, BWM, Audi – und eben Volkswagen.

Dies drückt sich auch in den nackten Zahlen aus. Im Jahr 2014 hat Deutschland Waren und Dienstleistungen im Wert von 1,134 Billionen Euro exportiert. Auf die Rubrik „Kraftwagen und Kraftwagenteile“ entfielen dabei 203,2 Milliarden Euro. Weitere 51,2 Milliarden Euro erwirtschafteten die Ausfuhren „sonstiger Fahrzeuge“. In der Summe ist die Automobilindustrie also für knapp ein Viertel aller deutschen Exporte verantwortlich.

Der VW-Skandal gefährdet daher nicht nur die Autobauer, sondern beschädigt die Marke „Deutschland“. Mit dem Label „Made in Germany“ werden Verlässlichkeit, Genauigkeit und technische Avantgarde verbunden. Doch plötzlich stehen die Deutschen als Trickser da. Dies könnte auch das Image anderer Exportzweige bedrohen – wie etwa der Chemieindustrie oder der Maschinenbauer.

Die Gesamtschäden der VW-Affäre lassen sich nicht beziffern, doch so viel ist klar: Für die deutsche Automobilindustrie wird es gefährlich. Denn sie ist sehr stark vom Export nach Übersee abhängig – und von ihren Dieselmotoren.

Deutscher Markt gesättigt

Der deutsche Markt ist viel zu klein, als dass die Autobauer davon leben könnten. Die Neuzulassungen dümpeln bei rund drei Millionen im Jahr. Da nutzt es auch nicht viel, dass die Deutschen extrem treue Kunden sind und am liebsten deutsche Autos kaufen: 72 Prozent der Bundesbürger fahren eine heimische Marke. Japan ist der zweitstärkste Anbieter, liegt bei 8,8 Prozent.

Mit dem Label „Made in Germany“ werden Verlässlichkeit, Genauigkeit und technische Avantgarde verbunden. Doch plötzlich stehen die Deutschen als Trickser da.

An der Absatzschwäche in Deutschland dürfte sich so schnell nichts ändern, denn wie eine Studie der Deutschen Bank kürzlich zutage förderte, können immer mehr Deutsche bestens damit leben, mit einer alten Karre umherzufahren: Im Jahr 2000 lag das Pkw-Durchschnittsalter bei sieben Jahren, inzwischen ist es auf neun Jahre geklettert. Tendenz steigend. Über das Jahr 2014 klagte der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) denn auch: „Das deutsche Autojahr gab keinen Anlass zur Freude.“

Auch der Markt in Westeuropa wuchs nur leicht. Daher hoffen die deutschen Autobauer vor allem auf Übersee – wobei die USA zu den wichtigsten Märkten zählen.

Langsam, behäbig, gemütlich

Die deutschen Hersteller konnten ihren Absatz in den USA seit 2010 verdoppeln und verkauften zuletzt 1,4 Millionen Fahrzeuge im Jahr. Eigentlich sollte die Expansion ungebrochen weitergehen, und allein VW wollte seine Verkaufszahlen bis zum Jahr 2018 auf 800.000 Autos steigern. Da kommt der Diesel-Skandal höchst ungelegen.

Allerdings sahen die VW-Verkaufszahlen zuletzt sowieso nicht mehr rosig aus. Bereits im vergangenen Jahr nannte der VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh die Geschäfte in den USA eine „Katastrophenveranstaltung“, weil der Absatz um zehn Prozent auf 367.000 Fahrzeuge geschrumpft war.

Die deutsche Automobilindustrie hat jetzt aber nicht nur mit einem Imageproblem zu kämpfen, das die Verkäufe belastet. Es stellt sich die prinzipielle Frage, was aus den Dieselmotoren werden soll, bei denen die Deutschen weltweit technisch führend sind.

Einst waren Dieselfahrzeuge bekannt als „Opas Auto“: langsam, behäbig, gemütlich – und immer mit einer schmutzigen Rußfahne hintendran. Jahrzehnte der Forschung haben die Dieselmotoren zwar effizienter und sauberer gemacht. Trotzdem bleibt das Problem, dass sie immer noch zu schmutzig sind, weil die Abgasnormen noch schneller verschärft wurden, als die Dieselmotoren optimiert werden konnten. Genau deswegen hat VW ja die Abgastests manipuliert.

Weltweiter Sieg von Hybridmotoren?

In den USA liegt der Anteil der Dieselfahrzeuge derzeit bei drei Prozent. Nach dem VW-Skandal ist abzusehen, dass sich die Zahl der Dieselautos nicht mehr weiter erhöhen wird.

Es kündigt sich ein weltweiter Sieg von Hybridmotoren und Benzinfahrzeugen an. Die deutsche Autoindustrie und ihre Zulieferer stehen vor dem Problem, dass sie viele Milliarden in die Dieselforschung gesteckt haben.

Es geht also nicht nur um Imageschäden, mögliche Schadenersatzansprüche und Strafzahlungen, die VW stemmen muss. Der Schaden ist viel größer: Indem die deutsche Automobilindustrie hartnäckig auf den Dieselmotor gesetzt hat, hat sie möglicherweise aufs falsche Pferd gesetzt.

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