Aktionäre verklagen VW: Neue Milliardenforderungen möglich

Der Abgas-Skandal hat den Unternehmenswert massiv geschädigt. Nach Bekanntwerden der Tricks sackte die Aktie ab.

VW-Logo in Wolfsburg vor Wolken in der Morgensonne

Der potentielle Schaden für VW wird immer größer. Foto: dpa

KARLSRUHE taz | Auf VW könnten Schadensersatzforderungen in Milliarden-Höhe zukommen. Die Manipulationen bei Abgastests haben nicht nur Autokäufer geschädigt, sondern auch die VW-Aktionäre, denn die Aktie erlitt in den letzten zehn Tagen einen massiven Kurssturz.

Die wohl erste Klage stammt von der Kanzlei Tilp aus Kirchentellinsfurt bei Tübingen. Sie vertritt einen Aktionär, der im April und Juli VW-Aktien kaufte und nun einen Schaden von rund 20.000 Euro geltend macht. Da knapp 40 Prozent des VW-Grundkapitals im Streubesitz sind, könnten hier schnell Milliarden-Ansprüche zusammenkommen.

Spezialisierte Anleger-Kanzleien sammeln bereits Kläger. Neben Tilp gehören dazu auch Baum/Reiter aus Düsseldorf und Kälberer/Tittel aus Berlin. Voraussichtlich wird es mehrere Musterverfahren am Oberlandesgericht Braunschweig geben, die dann für die Masse der Kläger wegweisend werden. Das Verfahren dürfte sich aber über Jahre hinziehen.

Die Klagen werden sich wohl vor allem darauf stützen, dass VW Informationspflichten verletzt hat. Nach dem Wertpapierhandelsgesetz muss eine Aktiengesellschaft unverzüglich alles mitteilen, was den Börsenkurs erheblich beeinflussen könnte. Aber muss ein Unternehmen auch eigene illegale Aktivitäten veröffentlichen? Auf den ersten Blick wirkt das etwas weltfremd. Andererseits sind illegale Machenschaften, wenn sie bekannt werden, für den Börsenkurs äußerst relevant. In der Rechtsprechung ist die Frage noch nicht endgültig geklärt.

60 Euro pro Aktie

Eindeutiger ist die Mitteilungspflicht, wenn es um staatliche Untersuchungen geht. Seit Mai 2014 haben kalifornische Behörden gegen VW ermittelt. „So etwas ist sicher mitteilungspflichtig“, sagt Anwalt Axel Wegner von der Kanzlei Tilp. Allerdings könnte es darauf ankommen, ab wann der Vorstand von den Vorgängen in den USA erfahren hat. „Im Dezember 2014 gab es eine Rückholaktion in den USA, angeblich wegen fehlerhafter Software, davon muss der VW-Vorstand gewusst haben“, ist sich Axel Wegner sicher. Der von Tilp vertretene Kläger hat seine Aktien jedenfalls erst 2015 gekauft, so dass er gute Chancen auf Schadensersatz haben dürfte.

Für die Berechnung des Schadensersatzes gibt es laut Wegner zwei Möglichkeiten. üblich sei es, die Kursdifferenz zu verlangen zwischen dem Tag, an dem die verschwiegene Information noch nicht bekannt war und dem Zeitpunkt, an dem die Anleger informiert waren. Konkret: Am Freitag, den 18. September, war die VW-Aktie 162 Euro wert. Zwei Tage später, am Sonntag, räumte VW die Manipulationen ein. Am Montag war die VW-Akte dann nur noch 132 Euro wert. Anwalt Wegner will sogar erst auf den Dienstag abstellen, weil VW nun auch Rückstellungen in Milliardenhöhe ankündigte. Am Dienstag sackte der Wert auf 106 Euro. So ergibt sich ein Schaden von knapp 60 Euro pro Aktie.

Alternativ könne ein Anleger, so Wegner, auch das Geschäft rückabwickeln. Das ist zum Beispiel interessant für jemand, der seine VW-Aktien im April 2015 kaufte – als sie noch 250 Euro wert waren.

Parallel prüft auch die Finanzaufsicht Bafin, ob VW seine Publizitätspflichten verletzt hat. „Bisher ist das ein Routinevorgang und noch keine förmliche Ermittlung“, sagte eine Bafin-Sprecherin auf Nachfrage. Materiell muss VW die Ermittlungen nicht umittelbar fürchten, für Verstöße kann die Bafin maximal ein Bußgeld von einer Million Euro verhängen. Wenn aber die Bafin einen Publizitätsverstoß feststellt, wäre das für Anleger und Anwälte ein wichtiges Signal, dass ihre Klagen erfolgreich sein könnten.

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