Kommentar Energieausweis: Angriff der Immobilienlobby

Der Verband der Hausbesitzer will den Energieausweis sturmreif schießen, um einem Wertverfall bei den Immobilien vorzubeugen.

zwei Frauen vermessen eine leere Wohnung

Die Größe einer Wohnung lässt sich leicht messen. Aber wie steht es mit dem Energiebedarf? Foto: dpa

Eine so platte Strategie hätte man Haus & Grund nicht ohne weiteres zugetraut; für einen Verband, der auf Seriosität Wert legt, ist sie schlicht unwürdig. Wir erinnern uns: Die Lobby der Hauseigentümer hat sich in den vergangenen Jahren stets dafür stark gemacht, dass bei der Erstellung von Energieausweisen für Gebäude neben dem Bedarfsausweis, der sich an der faktischen Qualität der Bausubstanz bemisst, auch der minderwertige Verbrauchsausweis zulässig ist. Dieser orientiert sich am individuellen Verbrauch der Bewohner, womit er keine objektiven Werte angibt, weil jeder bekanntlich anders heizt.

Dass sich nun bei der parallelen Existenz von zwei grundverschiedenen Berechnungsverfahren unterschiedliche energetische Kennwerte für ein und dasselbe Wohngebäude ergeben, verwundert nicht. Haus & Grund kreidet diesen Zustand zurecht an, verschweigt aber - und das ist das Perfide - , dass der Verband an dieser Beliebigkeit der Rechenverfahren erhebliche Mitschuld trägt.

Aber das hat System: Ziel der Immobilienlobby ist es nämlich, den Energieausweis generell sturmreif zu schießen. Denn an der Transparenz, die der Ausweis im Markt schaffen soll, haben die Eigentümer zumeist wenig Interesse. Schließlich erzielen schlecht gedämmte Häuser und Wohnungen beim Verkauf oder bei der Vermietung mitunter Preisabschläge, sobald der Energieausweis ins Spiel kommt. Und von solchen energiefressenden Objekten gibt es mehr als genug. So überrascht es nicht, dass der Verband nun vorschlägt, die „Bedeutung von Energieausweisen für den Wohnimmobilienmarkt zu beschränken.“

Angesichts dieser Hintergründe ist zu wünschen, dass der Schuss der Immobilienlobby nach hinten los geht – und die Politik das Chaos von unterschiedlichen Ausweistypen endlich beendet. Konkret: Der unsägliche Verbrauchsausweis gehört in die Tonne getreten, die Zukunft muss dem Bedarfsausweis gehören.

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Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.

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