Bauernopfer für Biotreibstoff

Dokumentarfilm Der österreichische Filmemacher Kurt Langbein geht dem internationalen „Landraub“ nach

Zum Appell auf der indonesischen Hindoli-Plantage sind die Arbeiter und Arbeiterinnen in Helm und orangefarbenen Schutzwesten paramilitärisch in Reih und Glied angetreten und sprechen im Chor ein vom Megafon vorgebetetes Gelöbnis zur Qualitätssteigerung nach. Dann marschieren sie im Gleichschritt zu den Transportlastern, die sie zur Arbeitsstätte bringen. Man könnte das für ferne asiatische Despotie halten, doch die Palmölpflanzung mit ihren über 10.000 Angestellten gehört dem US-amerikanischen Cargill-Konzern, dessen lokaler Manager dann auch gern zur Bedeutung von Disziplin und Nachhaltigkeit in die Kamera spricht, während hinter ihm Arbeiterinnen mit Giftsprühkanistern durch die Palmenreihen ziehen.

30 Tonnen sicheren ­Ertrag pro Hektar bringen deren Früchte, und auch andere agrarische Rohstoffe versprechen in Zeiten wackliger Zinsrenditen hohen und sicheren Profit. So wird parallel zur Gentrifizierung der Städte auf dem Land en masse angestammtes Kleinbauernland von internationalen Investoren aufgekauft – weltweit war das seit dem Jahr 2000 mehr Ackerfläche, als es in Europa insgesamt gibt. Und während deutsche Medien in diesem Zusammenhang gern chinesische Firmen an den Pranger stellen, wird die europäische Beteiligung verschämt verschwiegen.

Diese Beteiligung steht jetzt – neben dem Landgrabbing im Allgemeinen – im Fokus eines österreichischen Dokumentarfilms, in dem der bisher vor allem für den ORF tätige Regisseur Kurt Langbein und Autor Christian Brüser mit der Kamera zu den Gewinnern und Verlierern des globalen Landraubs reisen. Nach Sierra Leone etwa, wo die mit 250 Millionen Steuergeldern unterstützte Schweizer Firma Addax auf ehemaligem Kleinbauernland in großem Stil Zuckerrohr anbaut, um Ethanol für europäischen Agrotreibstoff zu produzieren. Dabei schafft man sich mit den Landenteignungen auch gleich die billige Arbeitskraft für die Drecksarbeit auf den Plantagen. Denn die früher weitgehend autark lebenden Dörfler sind ohne ihren Boden für ihr Überleben auf Geldmittel angewiesen. Zusätzlich vergiftet die künstliche Bewässerung mit pestizidverseuchtem Wasser die Böden für die Zukunft.

In Kambodscha profitiert eine auf ehemaligem Bauerland errichtete Zuckerfabrik von einem EU-Entwicklungshilfe-Programm, das den zollfreien Zuckerimport fördert. Hier ist – neben Langbein – auch der Mönch Luon Sovath mit der Kamera unterwegs, um die Landvertreibungen im Internet zu dokumentieren und materielle Hilfe und juristischen Widerstand zu organisieren. Der tut bitter not: 65 Prozent der Ackerböden hat die Regierung Kambodschas schon an Investoren vergeben, 600.000 Bauern vertrieben. Kolonialismus 2.0 nennt der deutsche Biobauer Felix Prinz zu Löwenstein diesen neuen Ausbeutungsmechanismus, der neben Asien und Afrika auch in Osteuropa (hier Rumänien) mit ähnlichen Unternehmungen greift.

Kurt Langbein arbeitet in seinem Film ohne Kommentar, doch mit imposanten Bildargumenten (und einer leider nervigen Musik), etwa wenn er von einer aus Drohnensicht paradiesisch anmutenden äthiopischen Terrassenlandschaft auf eine (benachbarte?) Treibhausmonokultur schneidet, wo frisches Gemüse für die schicken Hotels der arabischen Emirate gezüchtet wird – und die für einen Hungerlohn arbeitenden Pflückerinnen nach Arbeitsschluss nach gestohlenen Tomaten abgetastet werden.

Äthiopien ist aber auch Standort eines positiven Vorzeigeprojekts, das diesen Film ganz nach Genreart beendet. Hier wird mithilfe kluger Bewässerungs- und Pflanzsysteme der Ertrag der traditionell kleinbäuerlichen Subsistenzwirtschaft so weit gesteigert, dass neben dem zum Überleben Notwendigen auch etwas für den lokalen Markt übrigbleibt. Nicht nur Langbein sieht darin wegen der deutlich besseren Energiebilanz die Zukunft der Welternährung. Die müssen wir, das zeigt dieser erschütternde Film drastisch, auch in Europa schleunigst angehen. Und das nicht nur, weil sonst durch Obdachlosigkeit und Hunger noch mehr sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge produziert werden.

Silvia Hallensleben

„Landraub“. Regie: Kurt Langbein. Dokumentarfilm, Österreich 2015, 91 Min.