Kommentar Merkels Flüchtlingspolitik: Chefinnensache

Das Kanzlerinamt übernimmt künftig die politische Koordination der Flüchtlingsthemen. Das wurde aber auch Zeit.

Ein geflohener Mann und Merkel machen ein Selfie

Ein geflohener Mann und Merkel machen ein Selfie in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Berlin. Foto: dpa

Die Kanzlerin macht das Thema Flüchtlinge vollends zur Chefinnensache. Angesichts des Chaos, das – trotz allergrößter Anstrengungen der hauptamtlichen und freiwilligen HelferInnen – für jeden in diesem Land sichtbar ist, zieht Angela Merkel jetzt andere Saiten auf. Künftig erfolgt die politische Koordination sämtlicher Flüchtlingsthemen direkt vom Kanzleramt aus.

Kanzleramtschef Peter Altmaier wird zum zentralen Ansprechpartner für die Gesamtkoordinierung. Er übernimmt also auch das operative Geschäft. Merkels Bundesinnenminister ist künftig statt für alles nurmehr für rechtliche Fragen, die Flüchtlingsaufnahme, Sicherheitsaspekte und die gesellschaftliche Integration zuständig.

Das wurde aber auch Zeit.

Die – sagen wir es mal freundlich – Überforderung von Thomas de Maizière war zuletzt dermaßen offensichtlich, dass Merkel befürchten musste, dass das Bild des deutschen Staatswesens dauerhaft Schaden nimmt. Bei weitem nicht eingehaltene Bearbeitungsfristen und teilweise menschenunwürdige Zustände in den Flüchtlingsunterkünften und vor den Erstaufnahmestellen bilden in letzter Zeit zusehends die Argumentationsfolie für Fremdenfeinde. Wenig scheint dem deutschen Bürger so bedrohlich wie eine schlingernde Verwaltung.

Hinzu kam das unwürdige Postengeschiebe an der Spitze des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Der Staat – das konnten Böswillige so interpretieren – schien unfähig, anstehende Probleme zu lösen. Und ein Bundesinnenminister, der in einer wichtigen Parlamentsdebatte von undankbaren Flüchtlingen schwadronierte, spielte noch jenen in die Karten, die ihre Herzen gegenüber Hilfesuchenden längst fest verschlossen halten. Das konnte Merkel nicht länger so laufen lassen.

Jetzt muss angepackt werden. Wegen des zentralistischen Arbeitsansatzes im Kanzleramt werden die Bundesministerien ab sofort gezwungen, ihre Revierkämpfe zu beenden, Doppelstrukturen aufzuspüren und zu beseitigen sowie eine Art gemeinsamen Workflow herzustellen. Neben dem Innenministerium werden künftig die Bundeswehr, Finanz- und Arbeitsministerium, Auswärtiges Amt und Bauministerium auf Weisungen von ganz oben hören müssen. Das wird nicht nur für gute Stimmung sorgen. Aber das muss jetzt sein. Es ist schon Herbst.

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1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

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