Mängel im Altenheim: „Residenz“ für Senioren im Visier

Im Altenheim „Residenz Kirchhuchting“ herrschen massive Missstände. Anordnungen der Heimaufsicht wurden nicht erfüllt – nun droht die Schließung.

Sieht nicht immer so herzlich aus: Pflege im Altenheim Foto: Uli Deck/dpa

BREMEN taz | Pflegemängel, unzureichende und sogar gefälschte Dokumentationen, unregelmäßige Medikamentenvergabe: Die Vorwürfe, die MitarbeiterInnen, Angehörige und HausärztInnen gegenüber der „Seniorenresidenz Kirchhuchting“ erheben, sind massiv. Nun steht die Schließung des Altenheims im Raum.

Dabei, erzählt Pfleger Maik Perschau*, klang das Konzept der im Juli 2012 eröffneten Einrichtung erst einmal interessant: „Hier gibt es sowohl alte als auch junge Bewohner, die pflegebedürftig sind.“ Aber: Zum Bereich „junge Pflege“ gehören auch am Borderline-Syndrom oder an Schizophrenie Erkrankte sowie Drogenabhängige. „Und damit fing das Dilemma von vornherein an“, berichtet Perschau. Denn in der „Residenz“ sind keine psychiatrischen FachpflegerInnen beschäftigt, sondern AltenpflegerInnen, PflegehelferInnen und ungelerntes Personal.

Massiv unterbesetzt

„Sowohl in der Pflege als auch in der Küche, beim Reinigungspersonal und beim Personal für Hausmeistertätigkeiten herrscht massive Unterbesetzung“, sagt Perschau. Das habe immer wieder zu Kündigungen und entsprechender Fluktuation geführt.

Die Folge: Schlecht eingearbeitetes Personal, Fehler in der Pflege, der Medikamentenvergabe und der Dokumentation: „Die Trink- und Essprotokolle beispielsweise wurden einfach gefälscht: Am Ende des Tages wurde da irgendetwas hineingeschrieben.“ Selbst die Kürzel der Pflegekräfte, mit der jeder Eintrag abgezeichnet werden muss, seien gefälscht worden.

Fälle von Unterernährung

Es sei zu wenig Zeit gewesen, den BewohnerInnen beim Essen und Trinken zu helfen oder es habe die nötige Kompetenz gefehlt: „Einem Demenzkranken Nahrung anzureichen ist schwierig – das muss man lernen“, sagt Perschau. Es habe Fälle von Austrocknung und Unterernährung gegeben, aber auch von gesundheitlichen Krisen aufgrund mangelnder Hygiene oder falscher Medikamentenvergabe. „Manchmal waren benötigte Medikamente einfach nicht da, weil sie zu spät bestellt worden waren.“

Irgendwann meldete eine Pflegekraft die Missstände bei der Heimaufsicht, die mittlerweile „Bremische Wohn- und Betreuungsaufsicht“ heißt sowie beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK): „Und auf diese anonyme Anzeige sind dann auch andere aufgesprungen, die ebenfalls Missstände gemeldet haben“, sagt Perschau.

Heimleitung entlassen

Anlassbezogene Kontrollen des MDK bestätigten die Vorwürfe, die Heimleitung wurde entlassen, seit Juli herrscht Aufnahmestopp in der „Residenz“ – die nun, engmaschig kontrolliert, sämtliche Missstände beseitigen muss. „Aber das schafft sie nicht“, sagt Perschau. Das bestätigt ein Schreiben der Heimaufsicht vom 20. Oktober.

Dort heißt es: „Die bisherigen Anordnungen wurden vom Träger unzureichend umgesetzt. Es kam wiederholt zu Gefährdungen der Bewohner und Bewohnerinnen. Sollte es dem Träger weiterhin nicht gelingen, die Gefährdungen (...) kurzfristig und langfristig abzustellen, droht eine Schließung der Einrichtung.“

Die „Residenz“ ist eines von 22 Pflegeheimen des in Winsen an der Aller ansässigen „Mediko“-Unternehmens. Das hat erst im März für Aufmerksamkeit gesorgt: In einer seiner „Residenzen“ im hessischen Hattersheim musste nach ähnlichen Vorwürfen wie jetzt in Kirchhuchting massiv nachgebessert werden.

Besserung nicht in Sicht

Und das soll nun auch in Bremen geschehen: Die „Residenz“ arbeite „mittlerweile deutlich über dem Personalschlüssel“ und suche „zudem derzeit verstärkt nach Fachkräften mit psychiatriebezogenen Ausbildungskontexten“, teilt Mediko der taz mit.

Darüber hinaus seien die „Aktivitäten im Bereich der Personalakquisition drastisch verstärkt“ worden, unter anderem durch die Erhöhung der Gehälter. Perschau weiß davon freilich nichts: „Ich habe weder mehr Geld bekommen noch die Ankündigung einer Gehaltserhöhung“, sagt er. Und Resultate des laut Mediko „verbesserten Qualitätsmanagements“ erkennt er ebenfalls nicht: „Nach wie vor wird hier an allen Ecken und Enden nur aufs Geld geschaut – selbst beim Essen wird gespart.“

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