Kommentar Attentat auf Henriette Reker: Einer hat zugestochen

Das Messer geführt haben viele. Der Mordversuch auf die parteilose Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker sollte ein Fanal sein.

Rosen an einem Absperrgitter

Rosen hängen am Tatort auf dem Wochenmarkt in Köln. Foto: dpa

Das Attentat auf Henriette Reker ist ein Angriff auf die Demokratie in Deutschland. Der Täter mag ein Einzeltäter sein. Aber seine Tat kommt nicht aus heiterem Himmel. Sie ist die Folge einer immer lauter und widerwärtiger werdenden fremdenfeindlichen Hetze. Der Galgen auf der letzten Pegida-Demonstration wirkt heute wie ein Menetekel. Die Grenze zwischen Rechtspopulismus und Rechtsterrorismus ist allzu offen.

An die nahezu täglichen Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte scheint sich die Republik in erschreckender Weise gewöhnt zu haben. Der Mordversuch auf die parteilose Kölner OB-Kandidatin und Sozialdezernentin sollte ein Fanal sein, jetzt endlich mit aller Macht und Entschlossenheit den Feinden eines friedlichen Zusammenlebens entschlossen entgegenzutreten.

Zugestochen hat ein Mann, der nach den bisherigen Erkenntnissen in den neunziger Jahren – wie auch schon die Killer des NSU – in der faschistischen Parallelgesellschaft Deutschlands politisch sozialisiert worden ist. Doch seine Tat einen Tag, nachdem der Bundesrat mit großer Mehrheit der Verschärfung des deutschen Asylrechts zugestimmt hat, ist nicht nur ein Produkt der militanten Neonaziszene.

Das Messer geführt haben auch jene „besorgten Bürger“, die Menschen, die aus größter Not und Elend nach Europa fliehen, als „Invasoren“, „illegale Siedler“ und „Asylbetrüger“ beschimpfen. Das Messer geführt haben jene, die die Aufnahme von Geflüchteten als „Asylwahnsinn“ diffamieren. Das Messer geführt haben jene, die lautstark über eine angebliche „Überfremdung“, „Umvolkung“ oder „Islamisierung des Abendlands“ klagen. Das Messer geführt haben jene, die Menschen, die sich für eine Willkommenskultur einsetzen, als „Multikultiideologen“ und „Deutschlandabschaffer“ verhöhnen.

Klare Mitverantwortung

Die Brandstifter lassen sich benennen. Mitverantwortung für die Kölner Tat tragen Politiker wie der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke, die mit ihren Hetzreden systematisch das Klima in diesem Land vergiften. Mitverantwortung tragen Publizisten wie Thilo Sarrazin, Udo Ulfkotte oder Jürgen Elsässer, die mit ihren Schriften und öffentlichen Auftritten den geistigen Nährboden bereitet haben. Mitverantwortung tragen Blogs wie „Politically Incorrect“, die ihren Rassismus immer aggressiver propagieren. Mitverantwortung tragen schließlich jene fremdenfeindlichen „Patrioten“, die zu Tausenden allwöchentlich in Dresden und anderswo in Ostdeutschland aufmarschieren.

Der Anschlag auf Henriette Reker hat Köln tief erschüttert. Denn die Messerattacke hat dramatisch vor Augen geführt, dass diese lebensfrohe, liberale und weltoffene Stadt auch eine dunkle Seite hat. Es ist gut, dass die Oberbürgermeisterwahl trotz des Mordversuchs am heutigen Sonntag stattfindet. Alles andere wäre ein Triumph für den Gewalttäter und seine ideologischen Helfershelfer.

Die furchtbare Tat weist jedoch weit über die Grenzen Kölns hinaus. Wenn aus ihr eine Lehre zu ziehen ist, dann die: Der Rechtsstaat und die Zivilgesellschaft sind gefordert, endlich entschlossener den Kampf gegen die rechten Menschen- und Demokratiehasser aufzunehmen. Auf allen Ebenen und mit allen in einer Demokratie zur Verfügung stehenden Mitteln.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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