EU erreicht Klimaziele: Das Wunder von Brüssel

20 Prozent weniger Treibhausgase seit 1990 sind geschafft. Wie ausgerechnet der Klimawandel dabei geholfen hat, die Klimaziele zu erreichen.

Aus der Luftperspektive sind Menschen auf einer Holzplattform in einem See zu sehen

Wer viel am Badesee sitzt, heizt weniger – und erzeugt weniger Treibhausgase Foto: dpa

BERLIN taz | Viele werden dieser Tage ihre Nebenkostenabrechnung 2014 bekommen und erfreut feststellen, dass sie relativ wenig geheizt haben. So ähnlich geht es gerade der EU. Die Europäische Umweltagentur veröffentlichte jetzt Zahlen dazu, wie viel Treibhausgase die 28 Mitgliedsstaaten im vergangenen Jahr fabrizierten; es waren vier Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Das klingt in der Welt des Klimaschutzes ungefähr so erstaunlich wie im Fußball ein 7:1 gegen Brasilien. Denn gleichzeitig wuchs die Wirtschaft in der Europäischen Union um 1,4 Prozent. Ganz nebenbei und wie von selbst hat die EU auch noch ihre Klimaschutzziele bis 2020 erreicht: Minus 20 Prozent Treibhausgase bis 2020 im Vergleich zu 1990. Jetzt sind es bereits 23 Prozent weniger. „Wir haben gezeigt, dass Wirtschaftswachstum und Klimaschutz Hand in Hand gehen“, jubelte EU Klima- und Energiekommissar Miguel Cañete.

Allerdings wäre da die Sache mit den Heizkosten: 2014 war in Europa und weltweit das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Tatsächlich zeigen die Statistiken, dass es vor allem am Energiesektor und an Haushalten lag, dass die Treibhausgasemissionen sanken. In der Industrie sind sie sogar gestiegen. Das Wunder von Brüssel liegt zum großen Teil am Wetter.

Das macht es auch so tückisch. Im Dezember sind die wichtigen UN-Klimaverhandlungen in Paris. Dabei soll ein weltweiter Vertrag zustande kommen, der verhindern sollte, dass der Wahnsinn Klimaerwärmung unkontrolliert weiter geht. Das erklärte Ziel der Staatengemeinschaft ist es, die Wahrscheinlichkeit für einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen um über zwei Grad deutlich zu senken – durch weniger Treibhausgase.

Zu wenig, zu langsam

Die OECD hat jetzt ausgerechnet, dass die Welt ihre Emissionen dafür viel zu langsam senkt – auch und gerade die EU. Die profitiert bei ihrem Aushängeschild Klimaschutz ja nicht nur vom guten Wetter, sondern auch davon, dass 2008 die Wirtschaft schrumpfte. Und davon, dass die Schwerindustrie in Osteuropa nach 1990 zusammenbrach.

Davon abgesehen liegt es zwar auch an mehr erneuerbaren Energien, an besser gedämmten Häusern, an effizienteren Maschinen und wahrscheinlich sogar an den verhassten Energiesparlampen, dass die EU weniger Treibhausgase produziert. Die Maßnahmen greifen, aber laut OECD eben viel zu langsam: Nimmt man den Durchschnitt der Jahre 2005 bis 2012, sinken die Emissionen im Schnitt nicht schnell genug. Es müsste deutlich mehr passieren.

Nun hat die EU bereits Klimaziele bis 2030 beschlossen. Da sollen es 40 Prozent weniger Emissionen sein als 1990. Auch das ist laut OECD zu wenig, aber die Ziele zu verschärfen, auf die Idee kommt kein führender Politiker. Sonst heult wieder die Stahlindustrie. Jetzt lassen sich auch noch die schönen, neuen Treibhausgaszahlen als Alibi verwenden und behaupten: Wir machen doch schon mehr als versprochen. Bis der Winter wieder kälter wird.

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