Undercover-Methoden in Hamburg: Verdeckter Einsatz kommt vor Gericht

Der Radiosender FSK klagt wegen der verdeckten Ermittlerin Iris P. gegen die Innenbehörde. Auch eine Ex-Geliebte der Polizistin zieht vor Gericht.

Spitzel-Einsatz im Sendestudio? Das wäre ein Verstoß gegen die Pressefreiheit, sagen die Leute vom FSK. Foto: Patrick Seeger/dpa

HAMBURG taz | Exakt ein Jahr nach der Enttarnung der verdeckten Ermittlerin Iris P. hat der Hamburger Radiosender „Freies Sender Kombinat“ (FSK) beim Verwaltungsgericht Klage gegen die Hamburger Innenbehörde eingereicht. „Es geht darum, den Sachverhalt bestmöglich aufzuklären“, erklärte Martin Trautvetter von der Geschäftsführung des linken Projekts, „und vergleichbaren Maßnahmen in der Zukunft vorzubeugen.“ Die heute 42-jährige Polizistin P. hatte unter dem Alias „Iris Schneider“ zwischen 2000 und 2006 linke Strukturen ausgeforscht, ab 2003 auch direkt beim FSK (taz berichtete).

Details und Auftraggeber, Hinter- und Beweggründe der verdeckten Ermittlungen liegen bis heute weitgehend im Dunkeln. Nach anfänglichen Dementis hat die Hamburger Polizei P.s Einsatz zwar eingeräumt, die Einsatzleiter – die „VE-Führer“ – wollen jedoch nie ein Eindringen P.s in den Radiosender angeordnet haben.

Fest steht, dass Iris P. von 2002 bis 2006 im Auftrag der Bundesanwaltschaft als verdeckte Ermittlerin im Einsatz war, parallel dazu aber auch für das Landeskriminalamt als verdeckte Aufklärerin. In dieser Funktion hätte sie keinesfalls Privatwohnungen betreten dürfen. Für das FSK „steht außer Frage, dass angesichts der schwerwiegenden Verletzung der Presse- und Rundfunkfreiheit eine gerichtliche Befassung mit der ‚Causa Iris Schneider‘ erforderlich ist“, sagt Rechtsanwalt Carsten Gericke, der die Feststellungsklage für den Sender eingereicht hat. Es gehe zudem „darum, dass das regelmäßige Betreten und Aufhalten in den Redaktionsräumen rechtswidrig war“.

Pressefreiheit setze auf das Vertrauen unter den Redaktionsmitgliedern und der Informanten, sagt Regina Mühlhäuser von der FSK-Redaktion „re(h)v(v)o(l)lte“, die den Fall P. öffentlich gemacht hatte. „Wenn eine Person an Redaktionsarbeit, Sendungsvorbereitung und -produktion beteiligt ist, die ohne das Wissen der anderen ihr Gehalt von der Polizei bezieht, wird die Pressefreiheit zur Farce.“

Iris P. alias „Iris Schneider“ war von 2000 bis 2006 in der Hamburger linken Szene im Einsatz: als verdeckte Ermittlerin und parallel als verdeckte Aufklärerin.

Verdeckte Aufklärer –seit 2001 „Beamte für Lagebeurteilung“ –sind nicht offen arbeitender Polizisten: Sie besuchen etwa öffentliche Veranstaltungen, dürfen aber keine Privatwohnungen betreten.

Verdeckte Ermittler können zur Erkennung und Abwehr schwerer Straftaten eingesetzt werden –auch in Privatwohnungen. Ihr Einsatz bedarf jedoch der Genehmigung der Staatsanwaltschaft

Unterdessen widerspricht die Anwältin Daniela Hödl Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD), der Mitte Oktober vor dem Innenausschuss der Bürgerschaft gesagt hatte, die „anonymen Anschuldigungen“ gegen Iris P. wegen gezielt eingegangener Liebesbeziehungen seien nicht zu verifizieren – die Betroffenen, so Neumann, sollten „Gesicht zeigen“. Hödl nun weist darauf hin, dass eine Mandantin, die sich damals in der queerfeministischen sowie Bauwagenszene bewegte, im September sehr wohl vor der Polizei ausgesagt habe – und zwar, dass sie von Herbst 2005 bis zu deren Verschwinden im April 2006 eine intime Beziehung mit P. gehabt habe.

Die Initiative für die erste Verabredung der beiden sei von Iris P. ausgegangen, sagt Hödl: „Sie trafen sich während dieses Zeitraums mehrmals pro Woche, selbstverständlich auch in den jeweiligen Wohnungen.“ Demnach übernachtete P. bei Hödls Mandantin und hielt sich auch alleine in deren Wohnung auf.

Eine andere Frau, die zuvor mit Iris P. liiert und drei Mal mit ihr im Urlaub gewesen war, hat am Dienstag ebenfalls Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht: wegen „schweren Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte“.

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