Ominöse Aktion für Geflüchtete: Soli-Party oder Nazi-Strategie?

Seit Monaten geistert das Event „juten tach’ refugees“ auf Facebook herum. Niemand kennt die Initiatoren. Am Samstag soll die Sause steigen.

Teilnehmer einer Lichterkette für Geflüchtete in Berlin

Lichterkette vorm Brandenburger Tor: Diese Aktion für Geflüchtete fand in Berlin tatsächlich statt. „juten tach’ refugees“ ist womöglich nicht mehr als schöner Schein. Foto: dpa

BERLIN taz | Am Samstag will in Berlin ein ominöser Veranstalter mit einer vermeintlichen Soli-Party nahe des Alexanderplatzes Spenden für Geflüchtete sammeln. Doch es gibt Zweifel an der Wahrhaftigkeit der Gruppe, die sich auf Facebook den passenden Namen „Welcome Refugees“ gegeben hat, bislang 595 Likes verzeichnet und erst seit August existiert. Außer ein paar schwammigen Umschreibungen, man sei „[…] ein Kollektiv aus stark vernetzten Unternehmen, Brands sowie Eventveranstaltern […]“, gibt es keine Informationen über die Verantwortlichen, geschweige denn ein Impressum.

Mehr als 45.000 Menschen haben bisher ihr Kommen bestätigt. Als Adresse der Party, die den Namen „juten tach’ refugees“ trägt und ein Abklatsch der Hamburger Soli-Party “Moin Moin Refugees“ ist, wurde online lediglich die Rathausstraße 1 nahe des Roten Rathauses in Mitte vermerkt. Was dort das solidarische Partyvolk am Samstag ab 21 Uhr tatsächlich vorfinden wird, bleiben die Verantwortlichen ebenfalls schuldig. Einzig der Hinweis: „Wir haben uns entschlossen, eine große Wohltätigkeitsveranstaltung, in Form einer Party zu organisieren“, lässt erahnen, was man sich beim erstellen der Facebook-Veranstaltung möglicherweise hat durch den Kopf gehen lassen.

Auch scheinen sich die AdministratorInnen der Seite mittlerweile wieder in die Anonymität des Internets verabschiedet zu haben – vielleicht waren sie auch nur genau am 29. August, zur Erstellung von Event- und Fanpage auf Facebook aktiv. Inzwischen stehen zahlreiche sonderbare Posts unter der Veranstaltung, von harmlosem Spam bis hin zu Nachrichten mit offensichtlich rassistischem und antisemitischem Inhalt. Moderiert wird das alles nicht.

Einige NutzerInnen vermuten dahinter sogar eine neue Nazi-Strategie, um durch diese Methode so viele Namen wie möglich von FlüchtlingsunterstützerInnen und AntifaschistInnen abgreifen zu können. Andere gehen eher von überforderten „Internetaktivisten“ aus, die, durch das enorme Feedback ihrer Veranstaltung überwältigt, kurzfristig den Rücktritt angetreten haben und die Aktion nun sich selbst überlassen.

Obwohl bei der Polizei bislang noch keine Anmeldung zu einer derartigen Veranstaltung eingegangen sei, sieht man dem Samstag gelassen entgegen. Ein Pressesprecher der Polizei sagte gegenüber taz: „Die zuständige Polizeidirektion ist über die Veranstaltung informiert und wird das Ereignis am Samstag im Auge behalten“. Gerade in Berlin sei die Polizei auf derartige Spontan-Demos gut vorbereitet und würde die Situation je nach Lage beurteilen, sagte der Sprecher weiter. „Wir sind natürlich daran interessiert, dass so etwas nicht aus dem Ruder läuft, also werden wir dafür sorgen, dass am Samstag alles friedlich bleibt.“

Außerdem hat am Samstag für 16 Uhr die „Alternative für Deutschland“ eine Kundgebung vor dem Roten Rathaus angemeldet, um über das „Versagen der Altparteien“ und „konkrete Lösungsvorschläge“ zu reden. Wer vor der nebulösen Party am Samstag erst noch richtig demonstrieren möchte, begnügt sich mit einer AfD-Gegendemonstration ab 15 Uhr, ebenfalls in unmittelbarer Nähe zum Alexanderplatz. Für ihre Kundgebung geworben hatte die AfD im Vorfeld übrigens mit Sophie Scholl und dafür im Netz mächtig Schelte kassiert.

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