Nur keine Kunst, die wie Kunst aussieht

Ausstellung Eine Wiederentdeckung: In der Akademie der Künste sind Werke des amerikanischen Künstlers Terry Fox zu sehen – sie sind voller Ideen und Überraschungen

Terry Fox, „L’Unita“, 1972 Foto: Estate of Terry Fox, Köln

VON Tilman Baumgärtel

Auch ein Künstler ist in gewisser Weise eine Marke. Je gründlicher er ein bestimmtes Markenzeichen vereinnahmt, desto erfolgreicher ist er. So wie wir bei einem bestimmten Lila-Ton an eine bestimmte Schokoladensorte denken, so denkt man bei knallbunten Siebdrucken an Andy Warhol. Baselitz ist der mit den auf dem Kopf stehenden Motiven, Gerhard Richter der mit den abgemalten Fotos, und Jenny Holzer die mit dem Leuchtschriftbändern.

Und Terry Fox?

Der amerikanische Künstler, der 2008 im Alter von 65 Jahren in Köln verstarb, saß mit einer solchen Ausdauer zwischen den Stühlen, dass er kein Markenzeichen entwickeln konnte oder wollte, mit dessen Hilfe ihn die Kunstwelt leicht kategorisieren und abheften konnte. Seiner Wahrnehmung in der Kunstszene hat das vermutlich geschadet. Aber gleichzeitig ist dadurch ein Werk so voll von Ideen und Überraschungen entstanden, dass man aus dem Staunen kaum herauskommt über die Vielseitigkeit, mit der da jemand jahrzehntelang an der Peripherie der Kunstwelt vor sich hin laborierte. Dazu gibt derzeit eine Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste ausführlich Gelegenheit.

Nach erfolglosen Versuchen mit Malerei begann er Ende der 60er Jahre mit Performances, arbeitete in den 70ern mit Video und Fotografie, später auch mit Klang, was ihn zu einem Pionier der Soundinstallation macht. Die deutsche Wikipedia ernennt ihn zum Fluxus-Künstler. Manche seiner Arbeiten ließen sich als Konzeptkunst katalogisieren, aber es gibt auch Installationen, Zeichnungen und viele Arbeiten mit Text.

In den 70er Jahren, als es noch kein Internet und keine sozialen Medien gab, war über Fox’ Kunst wenig herauszubekommen, wie sich Wulf Herzogenrath im Katalog erinnert. Obwohl Fox mit Leuten wie Vito Acconci, Joseph Beuys, Henning Christensen oder dem ziemlich ähnlich gelagerten Dennis Oppenheim gemeinsam performte, musste man dabei gewesen sein, um zu wissen, was genau dort stattfand.

Anders als andere Performancekünstler gab sich Fox bei der Dokumentation seiner Aktionen wenig Mühe. Ihm ging es dabei weniger darum, auratische Situationen für nur wenige, privilegierte Teilnehmer entstehen zu lassen. Stattdessen wollte er Kunst schaffen, die nicht mehr am verdinglichten und verkäuflichen Objekt hängt; keine „Kunst, die wie Kunst aussieht“, wie er es in einem Interview nannte, sondern Erfahrungen, die er zusammen mit dem Publikum machte.

Dabei dehnte Fox en passant das Vokabular der postminima­listischen Skulptur aus. Die Fotos, die ihn mit aus seinem Mund strömenden Zigarettenrauch zeigen, sind ein Beispiel für solche Erweiterungen des bildhauerischen ­Formenkanons. Auch seine Aktionen, bei denen er mit Mehl und Hefe kurzfristige Objekte schuf, gehen in eine ähnliche Richtung – zu eindeutig sind die so entstandenen Arbeiten freilich auch auf den Bildern von Beuys-Fotografin Ute Klophaus nicht zu erkennen.

Mit den Klanginstallationen führte er diesen Ansatz konsequent weiter. Oft war es nur ein einziger gespannter Draht, den er zum Schwingen brachte, um einen spezifischen Raumeindruck zu erzeugen – auch hier hilft nur eine lebhafte Fantasie, um sich eine solche Arbeit anhand von düsteren schwarz-weißen Dokumentationsfotos vorstellen zu können.

Für die Ausstellung wurden zwei Klanginstallationen rekonstruiert, bei denen Fox mühevoll mit analoger Technik umsetzte, was heute mit digitalen Mitteln sehr viel leichter zu realisieren wäre. Die eine ist ein akustisches Labyrinth aus Katzenschnurren, das man nicht beschreiben, sondern nur erleben kann. Die andere Arbeit entstand, als Fox 1982 als DAAD-Stipendiat in Berlin war und dort Klangaufzeichnungen entlang der Mauer in der Nähe des Bethanien sammelte.

Die Videoarbeiten, die in der Akademie der Künste gezeigt werden, sind Videokunst im eigentlichen Sinn des Wortes: Werke, die für das Medium gemacht wurden und mit dessen genuinen Eigenschaften arbeiten. Zu ihnen gehört auch Fox’ wahrscheinlich bekannteste Arbeit, die „Children Tapes“ von 1974, die zu einem Klassiker der Videokunst geworden sind: kleine, witzige Versuchsanordnungen, in denen einfachste Requisiten (eine Kerze, eine verbogene Gabel, ein Blechnapf voll Wasser) ein geheimnisvolles Eigenleben führen.

Andere Künstler haben aus einer solchen Idee ein Markenzeichen gemacht, das sie dann im Laufe ihrer Karriere zu Tode geritten haben – man denke etwa an William Wegman, der zur selben Zeit wie Fox mit Videos von seinen Hunden anfing und nie wieder damit aufhörte. Zumindest diese offensive Form der Markenbildung hatte Terry Fox nicht nötig.

Bis 10. Januar, Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, Mo.–So. 11–19 Uhr, Katalog 39 Euro