Terror und politische Kultur: Was tun, wenn der Terror kommt?

Rückkehrer, die für den „IS“ gekämpft haben, gibt es auch bei uns. Manche haben sich inzwischen losgesagt. Wie kann man verhindern, dass es so weit kommt?

Wegen der Terrorwarnung war das Stadion in Hannover weiträumig abgesperrt. Foto: Julian Stratenschulte/ dpa

BREMEN taz | Hannover war der Beweis: Deutschland braucht keinen Terror, um terrorisiert zu sein. Dafür reicht der Rückfall staatlicher Stellen in autoritäre Kommunikationsmuster – deren extremste die als Bürgerpflicht verordnete Ruhe und das Staatsgeheimnis sind – bei gleichzeitiger Lust daran, in Fantasien über die verschwiegene Grausamkeit zu schwelgen, deren Opfer die Besucher des abgesagten Länderspiels in Hannover angeblich geworden wären.

Also fast jedenfalls und je haarschärfer, desto aufreizender: Hannover war auch dank der digitalen Erweiterung der Distributionskanäle von Information und Desinformation die große Stunde der Kreiszeitung aus Syke bei Bremen: Sie hatte das Highlight des Abends zu bieten in Gestalt einer Geschichte darüber, dass es an einem Krankenwagen in der Nähe des Stadions zu einem Sprengstofffund gekommen wäre. Sie wirkt, rückblickend, als hätte sich jemand spektakulär verhört, als ihm erzählt wurde, dass an einem Rettungsfahrzeug ein Sprengstoffhund angeschlagen hatte.

Keine eindeutigen Dementi

Ganz fest steht das natürlich nicht, und es ist etwas billig, sich über die Kreiszeitung zu mokieren, wie es das Sekundärmedium „Bildblog“ tut: Wenn sie wirklich eine Quelle hat, die als zuverlässig gelten kann, also Teil des Sicherheitsapparats ist, muss diese ja geschützt werden.

Wer die ministerielle Geheimniskrämerei in Fragen des Terroreinsatzes unterläuft, ist von staatlicher Gewalt bedroht. Das Blatt jedenfalls hält, obwohl arg durch Abokündigungen und Hassmails gebeutelt, an seiner Darstellung fest.

Die Stellen jedoch, die für ein Dementi zuständig wären, ruinieren mittels autoritärer Heimlichtuerei ihre eigene Glaubwürdigkeit: Weder Thomas de Maizière, dessen vielzitierter Claim, er könne die Gründe für die Absage nicht nennen, weil die Bevölkerung sonst verunsichert wäre, sich rein logisch durch kein vorstellbares Szenario mehr einfangen lässt, noch sein besonnenerer niedersächsischer Amtsbruder Boris Pistorius haben die Geschichte bislang eindeutig dementiert: Die Mitteilung, dass kein Sprengstoff gefunden worden sei, stammt allein von einer namenlosen Sprecherin der hannoverschen Polizei.

Setzung von Zeichen

Aus derselben Quelle stammte auch die Angabe, bei einem in einem Zug gefundenen und sicherheitshalber kontrolliert zerstörten Jutebeutel habe es sich um eine „gut gemachte Attrappe“ gehandelt. Dass diese Einschätzung auf rein gar nichts beruhte und einfach mal rausgeblasen wurde, steht mittlerweile fest. Der Besitzer des Jutebeutels hat diesbezüglich für Aufklärung gesorgt. Danke dafür.

Wie mit Terror umzugehen ist, dafür hat niemand eine Patentlösung. Allerdings: Es gibt Hinweise darauf, welche Kommunikationsstrategien kontraproduktiv sind. Das ist so problematisch, weil Terror in erster Linie ein semiotisches Phänomen ist: Es geht bei Terrorakten immer um die Setzung von Zeichen gegen eine bestehende Ordnung.

Der Vorsprung dieser Kommunikationsstrategie ist schrecklicherweise letztlich uneinholbar, weil ja bereits das spektakuläre Misslingen eines Anschlags dieses Ziel erreicht: Es hebt die Ordnung auf – während der wie auch immer nachvollziehbare Wunsch, die destruktive Botschaft durch eine konstruktive zu beantworten, nur ihre Verletzlichkeit erhöht.

Gerade dass die DFB-Führung, sonst der Vermischung von Sport und Politik reichlich abgeneigt, darauf bestanden hat, das Fußballländerspiel am 17. November nach den Pariser Kamikaze-Angriffen zu politisieren und mit ihm „ein Zeichen gegen den Terror“ zu setzen, hat die Absage von Hannover zur peinlichen Niederlage der Demokratie gemacht.

Eskapismus versus Aktionismus

Diese war aber nur ein Höhepunkt einer ganzen Reihe offenkundigen kommunikativen Fehlverhaltens. Für ein komisches Glanzlicht hat dabei der unverhoffte Eskapismus von Hamburgs Innensenator Michael Neumann gesorgt, der die einschlägige Parlamentsdebatte schwänzte und sich in die Olympiabewerbung flüchtete. Für den aktionistischen Widerpart dazu hatte sein Bremer Pendant Ulrich Mäurer schon Ende Februar mit einem martialischen Polizeieinsatz in der Bremer Innenstadt gesorgt.

Anfangs war von konkreten Hinweisen, Kalaschnikows in einer Moschee und Informationen der Dienste die Rede. Mittlerweile gilt als einziger Auslöser des Bremer Terrorwochenendes die Aussage einer einzigen Quelle. Diese, längst geoutet, bestreitet, Angaben gemacht zu haben, auf die ein derartiger Einsatz die angemessene Reaktion gewesen wäre. Ab kommender Woche beschäftigt der Vorgang einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Glaubt irgendjemand, dass eine derartige Geheimhaltung jenseits der ermittlungstaktischen Notwendigkeiten, die es geben mag, in irgendeiner Weise Sicherheit produziert? Wahrscheinlicher ist doch, dass die Verschleierung von Irrtümern, die Unfähigkeit, Fehler einzuräumen, Verunsicherung schafft.

Sie speist sich aus einem aus undemokratischen Zeiten überkommenen Entwurf eines väterlich unfehlbaren Staates, dessen perverses Spiegelbild der Terror selbst ist: Wie weiland unter Helmut Schmidt scheint er in Gefahr, sich, um es zu bekämpfen, diesem Zerrbild seiner selbst anzugleichen.

Die kommunikative Waffe einer Demokratie ist aber nicht die Simulation unmöglicher Allwissenheit, sondern das Teilen des Wissens mit allen.

Den ganzen Schwerpunkt zum Thema „Was macht der Terror mit unserer politischen Kultur?“ lesen Sie in der gedruckten Wochenend-Ausgabe der taz.nord oder hier.

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