Werwölfe werden die Welt nicht retten

BühnE II Horror und Konsum, eine beliebte Kombination. Darum geht es in „der herzerlfresser“ von Ferdinand Schmalz im DT

Risse im Einkaufs­zentrum. Die Leichen im Sumpf sind auch keine gute Werbung

Erstens: Werwölfe werden die Welt nicht retten, auch wenn sie noch so philosophisch begabt über die Unzulänglichkeiten der Sprache, der Liebe und des Körpers nachdenken. Zweitens: Wo ein Einkaufzentrum eröffnet wird, ist die versteckte Leiche im Keller nicht weit. Meist ist es ein Sumpf, im wörtlichen oder übertragenen Sinn. Das sind zwei Erkenntnisse, die man aus dem Stück „der herzerlfresser“ von Ferdinand Schmalz, das in der kleinen Box des Deutschen Theaters Premiere hatte, mitnehmen kann.

Dass es ein skurriler Abend wird, signalisiert die Inszenierung von Ronny Jakubaschk von Anfang an. Der Jahrmarkt und der Zirkus sind nicht weit, wenn die ersten szenischen Miniaturen wie auf ein Karussell gesetzt ans Publikum vorgeschickt werden. Maske und Kostüme von Matthias Koch rufen die Erinnerung an alte Schwarzweißfotos aus der Zeit des Expressionismus wach. Alles ist grob gepinselt, grün und rot ausgeleuchtet und in übertriebenen Posen gespielt. Das passt gut zu der artifiziellen Sprache des dreißigjährigen Autors aus Österreich, Ferdinand Schmalz.

Schmalz hat es auf den Körper abgesehen, in seiner konkreten Beschaffenheit, als verkannter Ort des Wissens und als Metaphern-Lieferant. „Der Fuß weiß doch am ehesten, woher wir kommen und wohin wir gehen“, sagt zum Beispiel die Fußpflegerin Irene. Für solche Sätze wird Ferdinand Schmalz geliebt.

Warum reden wir mit dem Mund, „diesem Suppenschlitz“, durch den auch alle Nahrung geht, fragt Herbert; warum nicht mit dem Arschloch, ergänzt Florentina. Ihr Gespräch tarnt sich dabei als ein Flirt, mit dem Florentina, von Lorna Ishema als selbstbewusste Draufgängerin gespielt, Herbert auf den Zahn fühlen will, ob vielleicht er der gesuchte Mörder ist. Klar ist er das, signalisiert sein Styling, denn Elias Arens kommt nie anders als mit blutroten Händen, Werwolfsbart und einem verschämt schnappenden Unterkiefer auf die Bühne. Er ist der „herzerlfresser“, eine traurige, irre und verfluchte Figur. Er glaubt in bedeutsam gesetzten Worten, die Frauen, die er ermordet hat und deren Herzen er aß, aus einer anders nicht zu überwindenden Einsamkeit befreit zu haben.

Eine Horrorstory also. Aber wie jeder gute Horror eingebettet in einen gesellschaftskritischen Kontext – sprich: das Einkaufszentrum. Es wurde vom Bürgermeister Rudi (Harald Baumgartner), der nur aus Floskeln, von einer roten Schärpe zusammengehalten, zu bestehen scheint, wider besseren Wissens auf einem Sumpf gebaut, damit sein Ort auch mal was abbekommt vom dicken Kuchen. Es hat schon vor der Eröffnung Risse. Die Leichen im Sumpf sind auch nicht gerade gute Werbung. Diesen Teil der Geschichte glaubt man sofort. Aber eine solche Bürgermeisterkarikatur ist halt nicht abendfüllend, deshalb der „herzerlfresser“.

Den aus Legenden und Klischees zusammengeschusterten Charakteren steht gut an, dass sie sich wie mechanische Aufziehpuppen bewegen. Anachronistisch wie die Gespenster in einer Geisterbahn wirkt das alles; die Musik von Bastian Bandt (manchmal volkstümliches Akkordeon) verstärkt diesen Eindruck. Und so wie sich die Gesten wiederholen, scheint auch die Geschichte in den immer gleichen Schlaufen gefangen. Als sei jeder Bürgermeister verflucht, vom Wunsch nach Erfolg geblendet, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen. Katrin Bettina Müller

Wieder am 2./5. + 28. Dezember in der Box des DT; am 10. Dezember liest Ferdinand Schmalz in der Bar des DT ab 20.15 Uhr