Malu Dreyer über Flüchtlinge: „Wir denken alle Menschen mit“

Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, hat eine klare Haltung zu Flüchtlingen: Sie werde sich nicht zum Populismus hinreißen lassen.

Malu Dreyer lacht beim SPD-Parteitag

Glaubt an Feminismus, Rot-Grün und an attraktive, gebildete Männer in ihrem Land: Malu Dreyer. Foto: reuters

taz: Frau Dreyer, im kommenden März sind in Rheinland-Pfalz Landtagswahlen. Als Person schneiden Sie in Umfragen weitaus besser ab als Ihre Konkurrentin Julia Klöckner, die Spitzenkandidatin der CDU. Aber die SPD liegt klar hinter der CDU. Für die derzeitige rot-grüne Regierungskoalition in Rheinland-Pfalz sieht es schlecht aus.

Malu Dreyer: Ich bin optimistisch: Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass die Menschen lieber eine SPD-geführte Landesregierung haben wollen als eine CDU-geführte. Bei der Wahl wird es darum gehen, welche Partei, welche Spitzenkandidatin und welches Programm die Menschen überzeugender finden.

Es ist das erste Mal in der deutschen Geschichte, dass zwei Frauen um das wichtigste Amt in einem Bundesland konkurrieren. Was haben Sie für ein Verhältnis zu Frau Klöckner?

Ja, das ist so, aber das sollte man auch nicht überhöhen. Dass es immer wieder so thematisiert wird, zeigt eigentlich, dass in Sachen Gleichberechtigung noch Luft nach oben ist. Zu Frau Klöckner habe ich ein sachliches Verhältnis.

Gehen Sie beide manchmal zusammen ein Glas Wein trinken?

Nein.

Falls es am Ende für Rot-Grün nicht reicht: Kommt für Sie eine Große Koalition infrage?

Nein. Ich bin davon überzeugt, dass es am Ende für Rot-Grün reicht. Dafür kämpfen wir. Das sieht der grüne Koalitionspartner genauso. Wir wollen die Regierung fortsetzen in dieser Konstellation. Die hohen Werte der Zufriedenheit mit der Landesregierung machen uns hier zuversichtlich.

54, SPD, wurde 2013 als erste Frau Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz. Zuvor war sie Ministerin für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit.

Wäre eine rot-rot-grüne Regierung in Rheinland-Pfalz denkbar?

Nein.

Die Flüchtlingssituation spielt im Wahlkampf der CDU in die Hände. Julia Klöckner profiliert sich derzeit als Hardlinerin. Wie wollen Sie dagegenhalten?

Ich werde mich nicht zum Populismus hinreißen lassen. Ich und meine Regierung haben eine klare Haltung zum Thema Flüchtlinge: Wir haben die Erstaufnahmekapazitäten drastisch ausgebaut. Menschen, die nicht bleiben dürfen, werden zurückgeschickt. Menschen, die bleiben dürfen, integrieren wir schnell. Dabei denken wir immer alle Menschen mit. Integration funktioniert nur, wenn der Zusammenhalt gewahrt wird und alle Menschen Chancen bekommen. Frau Klöckner ändert ihre Meinung gerne mal. Ich habe aber meine Überzeugungen und darauf können sich die Bürger verlassen. Diese habe ich gerade gestern auf dem SPD-Bundesparteitag wieder deutlich gemacht.

Ach ja? Ihre Regierung lässt heute aber mehr Menschen abschieben als noch vor einem halben Jahr.

Das ist ja kein Wunder, wir haben heute schließlich Zehntausende Flüchtlinge mehr. Unser Prinzip bleibt aber gleich: Wir setzen darauf, dass die Menschen freiwillig in ihre Heimat zurückkehren. Diejenigen, die nicht freiwillig ausreisen, gehen dann eben mit Zwang. Damit sind wir erfolgreich. Die Zahl der Rückführungen aus Rheinland-Pfalz liegt inzwischen sogar über der Zahl der abgelehnten Asylbescheide. Das liegt nur daran, dass die meisten Betroffenen freiwillig gehen.

„Es gibt Fragen, die sind so grundsätzlich, dass es sich verbietet, auf Umfragewerte zu schauen“

Kann man bei den Wählern im Moment mit einer liberalen Haltung in der Flüchtlingspolitik punkten?

Es gibt Fragen, die sind so grundsätzlich, dass es sich verbietet, auf Umfragewerte zu schauen.

Werden Sie versuchen, das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten, um Ihre Gegenkandidatin nicht zu stärken?

Ich sehe nicht, dass das Thema der Gegenkandidatin hilft. Im Moment ist nur eine einzige Sache klar: dass die AfD hier Aufwind bekommt. Wir hatten noch nie ein Klima in Deutschland, in dem so leichtfertig Stimmung gegen Flüchtlinge und Ausländer gemacht wurde wie heute. Deswegen sollten alle, die Politik machen, ihre Worte und ihr Auftreten sorgfältig prüfen.

Werden Sie im Wahlkampf an Podiumsdiskussionen und Fernsehsendungen teilnehmen, bei denen auch Vertreter der AfD auftreten?

Nein. Das werde ich nicht machen. Die AfD ist im letzten Jahr deutlich nach rechts gerutscht, ihr Gründungsmitglied Hans-Olaf Henkel bezeichnet sie sogar als Monster. Ich werde mich nicht mit AfDlern aufs Podium setzen.

Das wohl umstrittenste Projekt Ihrer Regierung ist die Hochmoselbrücke. Sie verbindet zwei Fernstraßen und zerschneidet dafür ein Flusstal mit Weinhängen. Viele Bürger lehnen das Projekt noch immer kategorisch ab.

Die Bürger sind zu Recht insgesamt kritischer geworden und möchten stärker mitbestimmen – gerade bei großen Projekten, die über viele Jahre geplant werden. Es gab in der Planungsphase massenhaft Beteiligung. Jetzt ist das Projekt im Bau, und wenn schon zig Pfeiler stehen, kann man nicht sagen: Jetzt stellen wir die Entscheidung noch mal infrage. Das geht nicht.

Was bringt Bürgerbeteiligung, wenn die Regierung am Ende ihre Pläne durchzieht, obwohl die Bevölkerung vor Ort dagegen ist?

Bürgerbeteiligung hat den Sinn, seine Meinung zu äußern und dann vielleicht auch in einem Abwägungsprozess erklärt zu bekommen, dass sich die Regierung aus bestimmten Gründen anders entschieden hat. Und dann müssen wir unsere Entscheidung irgendwann auch treffen. Es gibt ja nicht nur die, die noch mehr mitreden wollen. Es gibt auch die, die fragen: Was ist denn jetzt eigentlich? Hü oder hott?

Aus Rheinland-Pfalz wandern immer mehr Junge ab.

Nennen Sie mir bitte ein Bundesland, wo junge Leute nicht in die Ballungsräume ziehen und zum Studium nicht auch in die Welt gehen. Wichtig ist aber: Wenn sie sich entscheiden, wegzugehen, sollten wir ihnen auch gute Möglichkeiten geben, wieder zurückzukommen. Es gibt kein anderes Bundesland, in dem Kindertagesstätten kein Geld kosten und Vereinbarkeit von Familie und Beruf so großgeschrieben wird. Und es gibt kein Bundesland, wo man so gut alt werden kann wie bei uns.

Na ja. Ihr Land hat ein Imageproblem. Gerade Frauen denken bei Rheinland-Pfalz an Männer wie Rainer Brüderle.

Ich glaube, das ist eher der Hauptstadtblick. Es gibt hier sehr attraktive, gut gebildete, tolle Männer, wie in allen anderen Bundesländern auch.

Wie kommen Sie als Feministin denn mit Sigmar Gabriel zurecht?

Gut.

Ist er ein Feminist?

Das kann man vielleicht nicht sagen. Aber wer genauer hinschaut, sieht viele SPD-Frauen in ganz aktiven Positionen. Wir haben Bundesministerinnen, zwei Ministerpräsidentinnen, eine Parlamentarische Geschäftsführerin und eine Generalsekretärin. Sigmar Gabriel hat als Parteivorsitzender dafür gesorgt, dass Frauen die Chance haben, in solche Positionen zu kommen.

Eine Parteivorsitzende oder eine Kanzlerkandidatin gab es in der SPD aber noch nie. Da ist sogar die CDU weiter. Warum tun sich die Sozialdemokraten mit Frauen an der Spitze so schwer?

Wie gesagt, wir haben bereits viele Frauen an der Spitze. Aber es muss immer auch Frauen geben, die sagen: Ich mache das und ich dränge in diese Position. In so einem Fall gäbe es in der SPD viele, die das sofort unterstützen würden.

Die Partei könnte auch eine Doppelspitze einführen. Ein entsprechender Vorschlag für den Parteitag stößt aber auf Widerstand: Die Antragskommission empfiehlt den Delegierten, mit Nein zu stimmen.

Eins muss man vielleicht klarstellen: Man muss nicht für die Doppelspitze sein, wenn man dafür ist, dass Frauen in gute Positionen kommen. Das eine schließt das andere ja nicht aus.

Sie sind also gegen die Doppelspitze?

Ich finde den Vorschlag interessant, aber die SPD ist nicht mit der Doppelspitze groß geworden. Ich fände es gut, dieses Instrument erst einmal auf Stadtverbandsebene auszuprobieren, um Erfahrungen damit zu sammeln. Am Ende würde ich dann die Frage stellen, ob das zu unserer Partei passt.

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