Deutschland torpediert EU-Frauenquote: Merkels fehlendes Engagement

Die Europäische Union wollte Frauen in Aufsichtsräten fördern. Die deutsche Regierung hielt sich zurück und nun ist die Quote endgültig vom Tisch.

Merkel mit erhobener Hand

Hätte die Quote durchsetzen können: Angela Merkel. Foto: reuters

BRÜSSEL taz | Es war eines der wichtigsten Vorhaben des luxemburgischen Ratsvorsitzes. Nach mehreren erfolglosen Anläufen sollte die EU-weite Frauenquote in Aufsichtsräten nun endlich kommen. Auch die EU-Kommission stand dahinter. „Ich bin ein Feminist“, hatte Kommissionsvize Fritz Timmermans erklärt. Er will die Chefetagen weiblicher machen.

Doch nun ist die Quote den Machos im Ministerrat zum Opfer gefallen. Denn bei der entscheidenden Sitzung am Montag in Brüssel waren neben Luxemburg nur Österreich und Slowenien dafür, dass künftig 40 Prozent der Aufsichtsratssitze mit Frauen besetzt werden. Polen, Großbritannien, Ungarn und sechs weitere EU-Staaten waren dagegen.

Damit wurde die benötigte qualifizierte Mehrheit klar verfehlt. Die Richtlinie ist durchgefallen – und dürfte wohl nie mehr wiederkommen. Das ist allen Beteiligten offenbar so peinlich, dass es nach der verpfuschten Sitzung der Arbeits- und Sozialminister nicht einmal die üblichen Pressetermine gab. Brüssel schweigt, die Quote verschwindet mit einer Beerdigung 3. Klasse.

Dass es so weit kommen konnte, ist nicht zuletzt die Schuld von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Obwohl sie zu Hause in Berlin erst im März eine nationale Frauenquote von 30 Prozent durchgesetzt und sich den Kampf um Gleichberechtigung in der G 7 auf ihre Fahnen geheftet hatte, tat sie nichts für den entsprechenden EU-Beschluss.

Im Gegenteil: Obwohl sich das Familienministerium unter Manuela Schwesig (SPD) für die Quote einsetzte, trat Merkel auf die Bremse. „Die Meinungsbildung in der Bundesregierung ist nicht abgeschlossen“, hieß es noch Ende letzter Woche in Berlin. Man habe Zweifel an der Rechtsgrundlage, war die offizielle Begründung aus der deutschen Hauptstadt.

Flüchtlinge statt Quote

Doch in Brüssel vermutet man andere Motive. Merkel wolle ihre britischen und polnischen Freunde schonen, vermuten EU-Diplomaten. Die Polen machen schon genug Ärger in der Flüchtlingspolitik. Und dem britischen Premier David Cameron kommt Merkel besonders gern entgegen, damit er die Entscheidung über einen britischen EU-Austritt gewinnt.

Zwar hat Merkel nicht den Ausschlag für das Scheitern der Quote gegeben. Doch wenn sich Deutschland für die Frauen genauso energisch eingesetzt hätte wie für die Flüchtlinge, wäre möglicherweise doch noch eine Mehrheit zustande gekommen. Denn der Kompromiss, den Luxemburg ausgearbeitet hat, kam den Bedenkenträgern weit entgegen.

So wurden die Sanktionen für einen Verstoß gegen die Quote gelockert. Die EU-Staaten sollten selbst entscheiden können, ob und wie sie eine Nichtbefolgung ahnden. Deutschland sollte sogar das Recht erhalten, seine niedrigere Frauenquote zu behalten.

Dass Berlin trotzdem mauerte, stößt bei den Grünen im Europaparlament auf Unverständnis. „Sich bequem gepolstert auf nationaler Gesetzgebung auszuruhen ist zu wenig“, kritisierte die frauenpolitische Sprecherin Terry Reintke. Nötig seien europäische Regelungen, die nicht von Deutschland verhindert werden dürften, damit in allen Ländern Frauen bessere Chancen bekommen könnten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.