Niedrige Benzinpreise: Tanke schön!

Noch einmal gluck, gluck, gluck – so vollgetankt kommen wir nicht mehr zusammen. Und die Umwelt? Haben sich doch die in Paris drum gekümmert!

Anzeigentafel: Liter Diesel 99 Cent, Liter Super 122 Cent

Der Dieselpreis ist unter einen Euro gerutscht. Foto: dpa

Es ist wie bei einem Säufer, dem schon lange klar ist, dass es so auf Dauer nicht weitergehen kann.

Er trinkt halt zu viel, und er weiß es. Er registriert die körperlichen Beeinträchtigungen. Er geht lieber nicht zum Arzt, um nicht noch mehr darüber zu erfahren. Warum auch, er hört ja eh auf. Bald. Ach was, nächste Woche schon. Nur am Wochenende, da trifft er sich noch mal mit den alten Kumpanen, da kann er natürlich nicht gerade jetzt auf Kräutertee umsteigen. Aber ab Montag dann ist Schluss. Ganz bestimmt. Was natürlich ein guter Grund mehr ist, am Samstag umso hemmungsloser zuzuschlagen. Ist ja zum letzten Mal. Wenn das kein Anlass ist! Und prompt gibt er sich die Kante wie niemals zuvor.

„Da können Autofahrer nur Tanke-schön sagen!“, bringt die Bild-Zeitung den aktuellen Rauschzustand auf deutschen Straßen mit wie immer besonders treffsicherer Idiotie auf den Punkt.

Während sich in Paris die Weltengemeinschaft auf einen historischen Klimavertrag geeinigt hat, schlagen die Autofahrer hemmungsloser zu denn je. Der Dieselpreis ist unter einen Euro gerutscht. Und alles ist genauso, wie die Umweltschützer es immer prognostiziert haben. Billiges Benzin führt zu mehr Verbrauch und weniger technischer Innovation. Im Vergleich zu 2007 ist der Kraftstoffverbrauch in Deutschland um 10 Prozent gestiegen, während der Verkauf von verbrauchsärmeren Autos jämmerlich hinterher hinkt, sämtlicher Klimaziele und umweltschonender Technologien zum Trotz. Von der Lage in den Schwellenländern mal ganz zu schweigen.

Ökologische Steuerreform? Nein Danke

Erinnert sich noch jemand an den Fünf-Mark-Beschluss der Grünen 1998 in Magdeburg? Damals wurde gefordert, der Benzinpreis müsse in den folgenden Jahren schrittweise auf 5 D-Mark erhöht werden. Für die Jüngeren: Das wären 2,50 Euro pro Liter gewesen.

Es folgte der vielleicht größte Shitstorm, den die Partei je erlebt hat, und das zu einer Zeit, als es noch gar keine Shitstorms gab. Heute würden prominente Grüne eher die Bombardierung irgendeines lästigen Kleinstaats beschließen, als sich nochmals ernsthaft an einer ökologischen Steuerreform die Finger zu verbrennen.

Dabei war sachlich alles richtig argumentiert. Der Benzinpreis müsse einfach die realen volkswirtschaftlichen Kosten einschließen, dann würde der Markt schon alles regeln. Überlegungen, die einem heute wie von einem anderen Stern vorkommen. Denn was uns die Neoliberalen seit Jahren als freien Markt verkaufen, ist natürlich nichts anderes, als dessen Aussetzung zugunsten von allerhand Partikularinteressen.

Autofahrer, die sich in völliger Verkennung der Realitäten traditionell als die Melkkühe der Nation betrachten, sind in Wirklichkeit deren Schlachter. „Lass dich nicht anzapfen!“ war der Slogan einer Gegenkampagne damals, die CDU-Generalsekretär Peter Hintze initiiert hatte. Wenn der Internationale Gerichtshof jemals die Verantwortlichen für die Verheerungen, die der Klimawandel noch anrichten wird, zur Rechenschaft ziehen würde, es wären solche Gestalten, die als Klimakriegsverbrecher in Den Haag abgeurteilt werden müssten – wenn die Stadt dann nicht längst abgesoffen wäre.

Aber Individualverkehr und Treibstoffverbrauch wachsen global betrachtet immer weiter, da können die Gletscher abschmelzen und die Sichtweiten in chinesischen Städten absinken, wie sie wollen. Doch bald schon hören wir auf mit dem Irrsinn. Ganz bestimmt.

Wir haben es uns fest vorgenommen, und es sogar aufgeschrieben in Paris. Damit wir uns auch wirklich daran erinnern. Bis es so weit ist, wollen wir aber noch ein letztes Mal einen draufmachen. Diesel für unter einen Euro! Da sagen wir doch von ganzem Herzen Tanke-schön.

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