NDR und Radio Bremen feiern Geburtstag: Old School

Radio Bremen und der NDR feiern dieser Tage Geburtstag. Grund zur Freude? Oder hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen seine besten Zeiten hinter sich?

Ewig währende Maskottchen: NDR-Walrossdame „Antje“. Foto: Maurizio Gambarini/dpa

Im Foyer des Sendezentrums von Radio Bremen trifft man auf das wohl berühmteste Sofa der Republik. Das mit grünem Samt bezogene Biedermeiermöbel, von dem aus Vicco von Bülow alias Loriot seine gleichnamige und zum Klassiker der Fernsehunterhaltung aufgestiegene Sendung moderierte. Ein paar Meter entfernt birgt eine Vitrine die Schätze einer anderen Karriere: der Rudi Carrells. Kultgegenstände wie der rote Würfel mit dem Fragezeichen aus der Sendung „Am laufenden Band“ etwa und jener „Rudis Tagesshow“-Globus, der im Zuge des Ärgers um eine Parodie, in der der iranische Machthaber Khomeini in Damenunterwäsche wühlt, legendär wurde. Die Relikte stammen aus einer Zeit, in der drei Knöpfe beim Fernseher wichtig waren. Einer fürs Erste. Einer fürs Zweite. Und der für das dritte Programm, den jeweiligen Regionalsender der ARD.

Auch der NDR ist so ein Regionalsender und zu der Zeit, als Radio Bremen Teil des großen ARD-Samstagabendprogramms war, übernahm der NDR die Verantwortung für eine tatsächlich Welten bewegende Sendung: die Sesamstraße. Neben der Karriere von Ernie und Bert begründete der Sender – innerhalb der ARD verantwortlich für Nachrichten und traditionell stark in politischen Formaten – vor allem die von Journalisten. Gert von Paczensky und Peter Merseburger hat er großgemacht. Anne Will und Anja Reschke.

Der NDR hat wie wenige Sender vom Mauerfall profitiert. Mecklenburg-Vorpommern wurde seiner Hoheit zugeschlagen. Das bedeutet mehr Geld und Bedeutungszuwachs. Für das Regionalprogramm aber heißt das noch mehr Küste. Noch mehr Fischer und Möweneier, noch mehr Sand und Gummistiefel. Und falls doch mal etwas thematisch Unglaubliches und qualitativ Innovatives gemacht wird wie der „Tatortreiniger“, dann kann man sich darauf verlassen, dass die Programmplaner das nicht merken. Kommt ja keine Robbe drin vor.

Radio Bremen ist die kleinste Sendeanstalt, auch sie mit viel Küste im Einzugsgebiet, und gäbe es nicht den Bremer Tatort mit der allwetterbeständigen Sabine Postel und Giovanni di Lorenzo mit „3 nach 9“, einer Plauderstunde süß wie Butterkuchen, würde mancher fragen: „Radio wer?“ Dass die Bremer mit einem schnuckeligen Etat für „Zulieferungen“ von 7,3 Millionen Euro auch Das Erste, Arte, 3Sat und Kika mit Programm bestücken, geht mangels Wumms in der öffentlichen Wahrnehmung unter. So sendet der einstige Innovator mit einem Regionalfernseh-Etat von 26,9 Millionen Euro quasi unbemerkt ins Bremer Umland hinein Sendungen wie „Buten un binnen“ (Plattdeutsch für „Draußen und drinnen“), „Hallo Niedersachsen!“ und „Leopard, Seebär & Co“ (Thema am 29. Dezember: Grundsanierung im Ottergehege).

Man muss das alles nicht schlimm finden. Man kann sagen, so ist das eben. Alte Menschen haben auch Rechte. Man kann aber auch sehen, dass das mal anders war. Das klein nicht automatisch „für Oma“ hieß. Sondern dass der kleinen Sendeanstalt das Zeug und das Geld zum Großsein zugestanden wurden. Dass hier Menschen gearbeitet haben, die mehr wollten, als Robbenbabys ein Zuhause bieten. Was früher ein Mitspielen im Großen war, ist heute der Versuch des Intendanten Jan Metzger, dem Sender seine Position innerhalb der ARD zu sichern.

Der NDR steht mit der Stadt Hamburg als einer der wichtigsten Film- und Fernsehproduktionsstätten, seiner Produktionsfirma Studio Hamburg sowie seinem Beitrag für das Gesamtprogramm der ARD anders da. Und doch ist der Blick aufs Regionale ähnlich traurig. Auch hier wird nicht groß gedacht. Auch hier wird wenig Nachwuchs gefördert. Allenfalls in den toten Winkeln des NDR-Nirwanas, von Liebhabern der Comedy und Satire anarchistisch besetzt, erwächst immer mal wieder ein Talent, das Richtung Das Erste strahlt. Wohlgemerkt, weniger als Ergebnis der gezielten Förderung, sondern als einer aus einer Scheiß-drauf-Haltung resultierenden Qualität. Success by Accident. Was etwa auch für Ina Müller gilt.

„Hinterm Horizontgeht’sweiter“, singt Udo Lindenberg – bei den beiden Regionalprogrammen im Norden ist das anders. Dort ist der Horizont belagert mit Robben, die aufpassen, dass es nicht zu wild wird im Flimmerkasten. Wegen der Oma. In einigen Jahren kommen diejenigen ins Oma-Alter, die mit den ersten Folgen Sesamstraße sozialisiert sind. Nicht mit diesem bräsigen Samson-Blödsinn der Helmut-Kohl-Jahre, sondern mit der richtigen. Mit der, die den Kindern gezeigt hat, dass man sich nicht mit dem abfinden muss, was einem nicht gefällt. Die Senderverantwortlichen sollten nicht annehmen, dass diese Leute sich vom Robbenprogramm abholen lassen.

Mehr zum Schwerpunkt „Radio Bremen“ lesen Sie in der taz.am Wochenende oder hier:

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.