Polnischer Außenminister zu EU-Kritik: „Verständnis wäre wünschenswert“

Die PiS greift mit Gesetzen in Justiz und Medien ein, die EU droht mit Konsequenzen. Polens Außenminister fordert nun Solidarität – vor allem von Deutschland.

Witold Waszcykowski und Frank-Walter Steinmeier.

Fordert mehr Verständnis von Deutschland: der polnische Außenminister Witold Waszcykowski (links). Foto: dpa

BERLIN afp/rtr | Die europaweit in der Kritik stehende neue polnische Regierung fordert von Deutschland mehr Solidarität. „Etwas mehr Verständnis der Deutschen für unsere politische Situation wäre wünschenswert“, sagte Außenminister Witold Waszczykowski der Bild-Zeitung. Polen sei sich bewusst, dass Deutschland „eine entscheidende Stimme im Chor Europas“ habe.

Die Deutschen sollten sich fragen, was sie von Polen erwarteten, forderte der Minister. „Braucht Ihr Polen nur als Pufferzone zu Russland? Als Lieferant billiger Arbeitskräfte? Als Zulieferer und verlängerte Werkbank für große deutsche Konzerne? Oder sind wir Polen, bei allen wirtschaftlichen Größenunterschieden, ein Partner Deutschlands, zumindest bei der Lösung der Probleme in unserem Teil Europas?“

Die neue polnische Regierung steht in der EU massiv in der Kritik. Unter anderem hatte das Parlament zum Jahreswechsel im Eilverfahren ein Mediengesetz verabschiedet, das die konservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski vorgelegt hatte. Damit werden die Chefs der öffentlich-rechtlichen Sender künftig direkt von der Regierung ernannt oder abberufen. Eine zuvor verabschiedete Reform des Verfassungsgerichts erschwert zudem die Arbeit der Verfassungshüter.

„Wir wollen lediglich unseren Staat von einigen Krankheiten heilen, damit er wieder genesen kann“, sagte Witold Waszcykowski Bild. Bei den Medien sei unter der Vorgänger-Regierung ein bestimmtes linkes Politik-Konzept verfolgt worden. „Als müsse sich die Welt nach marxistischem Vorbild automatisch in nur eine Richtung bewegen - zu einem neuen Mix von Kulturen und Rassen, eine Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energie setzen und gegen jede Form der Religion kämpfen.“ Das habe mit traditionellen polnischen Werten nichts zu tun.

Die EU-Kommission will als Konsequenz Mitte Januar über die Lage des Rechtsstaates in Polen beraten. Die geplante Beratung ist die Vorstufe zu einem Prüfverfahren, das die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit durch die Mitgliedstaaten überwachen soll. Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) hatte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gesagt, er werde sich bei der Sitzung der EU-Kommission am 13. Januar dafür einsetzen, „dass wir jetzt den Rechtsstaatsmechanismus aktivieren und Warschau unter Aufsicht stellen“.

Umgang mit Flüchtlingen

Polen sei seit 16 Jahren Mitglied der Nato, führte Waszczykowski nun in der Bild-Zeitung aus. Noch immer aber liege der Sicherheitsstatus seines Landes weit unter dem Westeuropas. „Wir möchten, dass die Nato Truppen in Polen stationiert, damit dieses Ungleichgewicht verschwindet“, sagte der Außenminister. „Die deutsche Seite verhindert das seit Jahren, weil sie Russland nicht provozieren will.“

Verständnis forderte der Minister auch im Streit um die europaweite Aufteilung von Flüchtlingen. Sein Land habe 1,5 Millionen Arbeitslose, mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine lebten in Polen. „Und zwei Millionen unserer Landsleute haben das Land verlassen - auch die möchten wir gern in die Heimat zurückholen.“

Deshalb seien Flüchtlinge aus Syrien und Irak zwar in Polen willkommen, sagte der Minister. „Aber wir werden selbst in den Hotspot-Lagern aussuchen, wer zu uns kommt: Menschen, die nachweisen können, dass sie nicht aus wirtschaftlichen Gründen fliehen, die Papiere vorweisen können und die vor allem aus freiem Willen nach Polen und in kein anderes Land einreisen“, kündigte Wazczykowski an. „Zwangsweise Deportationen nach Polen - das wäre vor dem Hintergrund unserer Geschichte fatal“, fügte der Minister hinzu.

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