Ausnahmezustand in Arbeit

Nach Urteil Rot-Grün novelliert Polizeirecht zu Gefahrengebieten

Eingerichtet hatten das Gefahrengebiet zum 4. Januar 2014 Vize-Polizeipräsident Reinhard Fallak und Gesamteinsatzleiter Peter Born in Abwesenheit von Polizeipräsident Wolfgang Koptitzsch.

Innensenator Michael Neumann (SPD) erfuhr per Presserklärung vom Plan der Polizeiführung, für das Gebiet rund um die Polizeireviere Mörken- , Lerchen- und Davidstraße den Ausnahmezustand auszurufen.

Allabendliche Protestaktionen waren die Folge – eine als gefährliche Waffe beschlagnahme Klobürste avancierte zum Symbol des Widerstands.

Es war wohl die spektakulärste Aktion der Polizeigeschichte – das Gefahrengebiet 2014 nach dem vermeintlichen Angriff auf die Davidwache. 80.000 Bewohner im Schanzen- und Karoviertel, St. Pauli und Altona sowie Teilen von Eimsbüttel standen sieben Tage lang unter Generalverdacht und wurden von einem Großaufgebot an Polizisten verdachtsunabhängig kon­trolliert und gefilzt.

Inzwischen hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) dieses Instrument für verfassungswidrig erklärt. Der rot-grüne Senat arbeitet derzeit an einer Novellierung. „In der Koalition ist vereinbart, die Rechtsprechung im Hinblick auf die Zulässigkeit der Einrichtung von Gefahrengebieten ohne Abstriche umzusetzen“, sagt Justizbehördensprecher Thomas Baehr.

Die Möglichkeit, nach eigener Bewertung Gefahrengebiete einzurichten, hat der CDU-Senat der Polizei 2005 eingeräumt. Der entsprechende Passus im Polizeigesetz zur Datenverarbeitung (PolDVG) wurde seither fleißig angewandt. So wurden allein im Jahr 2014 in den Dauergefahrengebieten St. Pauli und St. Georg 18.000 Personen kontrolliert.

Erwirkt hatte das OVG-Urteil die Schanzenviertel-Aktivistin Claudia Falke, die im „Gefahrengebiet Schanze“ am Vorabend des 1. Mai 2011 zur Vorbeugung von Krawallen von Polizisten kontrolliert worden war. Das Gesetz lasse es an Normenklarheit und Bestimmt mangeln, wenn es darum gehe, „Kerngrundrechtseingriffe“ zu rechtfertigen, urteilte der Richter Joachim Pradel. Kontrollen allein nach Outfit oder Gesinnung seien zudem ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz.

Da es sich hier um eine Einzelfall-Entscheidung handelt, wird das Gesetz weiter angewandt. Die Gespräche mit der für das Polizeirecht zuständigen Innenbehörde seien noch nicht abgeschlossen, sagt Justizbehördensprecher Baehr. „Klar ist: Die Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts hat deutlich gemacht, dass die Vorschrift in der jetzigen Form keinen Bestand haben kann.“ KVA