Neues Projekt von Stefan Niggemeier: Kritik für Kritische​

Das Onlinemagazin Übermedien.de sucht zum Start am Mittwoch zahlende AbonnentInnen. Die Inhalte stehen hinter einem „Payfence“.

Zwei Männer mit Bart sitzen vor einem Monitor.

Zwei Vollbärte vor Betonfototapete: Rosenkranz und Niggemeier an der Tastatur. Foto: Jan Zappner

BERLIN taz | Zwei Träume hat Stefan Niggemeier. Na gut, drei. Aber die Fototapete mit Betonoptik hat er ja schon. Sie hängt im zum TV-Studio umgebauten Hinterzimmer seines Büros in Prenzlauer Berg. Von hier sollen die anderen beiden Träume gemeinsam mit seinem Kollegen Boris Rosenkranz Wirklichkeit werden: Sie wollen erstens von ihrer Arbeit an Übermedien leben können. Und zweitens weitere Mitarbeiter beschäftigen können.

Übermedien.de ist das neue Medienkritik-Portal, das der Bildblog-Gründer, ehemalige SZ-/taz-/Spiegel- und Immer-noch-FAZ-Schreiber Niggemeier gemeinsam mit dem „Zapp“-Autor Rosenkranz, der auch mal für die taz gearbeitet hat, hochgezogen hat. Medienkritik im Netz soll es bieten – als Text und Karikatur, in Fotostrecken und moderierten Videos (dafür das Studio mit Betontapete). Start ist an diesem Mittwoch. Dann sollen nicht nur LeserInnen gewonnen werden, sondern auch AbonnentInnen. Denn nur durch sie können die Träume Realität werden.

Dafür ziehen Rosenkranz und Niggemeier eine Paywall hoch, allerdings eine durchlässige, also eher einen Payfence: Einige Beiträge sollen zunächst nur den AbonnentInnen zur Verfügung stehen und erst eine Woche später allen zugänglich sein. Technisch umgesetzt wird das Ganze mithilfe des Onlinekiosks Blendle, der die Verwaltung der AbonnentInnen übernehmen wird. 3,99 Euro soll der exklusive Zugang pro Monat kosten, abzüglich Steuern und Ausgaben blieben davon weniger als 3 Euro bei ihnen, sagen die Macher. Deshalb müssten es schon „ein paar Tausend“ Abonnenten sein, damit sich das rechnet, sagt Rosenkranz.

Den beiden fiel und fällt es ebenso schwer wie fast allen Medienmenschen, das richtige Maß zu finden: Wie viel Exklusivität soll es für die Abonnenten geben? Wie viel Geld kann man verlangen? Wie viel Reichweite geht dadurch verloren? Solange all diese Fragen unbeantwortet sind, werden Rosenkranz und Niggemeier deshalb auch weiter ihren bisherigen Jobs beim NDR und der FAZ nachgehen.

Unabhängigkeit dank Leserfinanzierung

Arbeitgeber, die sie bei Übermedien potenziell auch mal kritisieren wollen und müssen. Niggemeier ist sich dieser „Schizophrenie“ bewusst. Übermedien könnte sie auflösen, wenn es durch die Leserfinanzierung unabhängig von einem Verlag oder Sponsor ist. „In Zeiten von Pegida und ‚Lügenpresse‘ braucht es Medienkritik, die sich zwischen den Stühlen bewegt“, sagt Rosenkranz.

Bei Übermedien soll die Exklusivität größer sein als bei Niggemeiers letztem großen Onlineportal-Versuch: den Krautreportern. Stefan Niggemeier und andere schrieben damals sowohl für das AutorInnenportal als auch in ihren persönlichen Blogs. Diesmal sagt er: „Wer Niggemeier will, muss Übermedien lesen.“

Überhaupt, die Krautreporter: Warum sollte mit Übermedien klappen, was dort schiefging? Schließlich hat Niggemeier die Krautreporter vor einem halben Jahr verlassen. „Es braucht eine publizistische Idee, die hatte Krautreporter nicht.“

Videocollage mit Xavier

Übermedien hat sie. Das erste Lebenszeichen des Projekts erschien Ende November im Netz, rund um die Aufregung um Xavier Naidoo und seine Teilnahme am Eurovision Song Contest. Es ist ein Video, das mit der Frage beginnt: Warum bist du die beste Besetzung für Deutschland? Es folgt ein Zusammenschnitt aus Naidoos „Ähms“ – „Ich weiß nicht“ – „Bin ich der Richtige?“ Eine simple Collage, die die Hysterie um Naidoo nüchtern, aber pointiert zusammenfasst – eine Vorschau auf das, was Übermedien leisten will: „unterhalten, aber auch wehtun“, so Rosenkranz. „Und wir wollen uns zwingen, auch Beispiele für gelungene Berichterstattung zu zeigen.“

Niggemeier und Rosenkranz finden, dass es in Deutschland an guter Medienkritik fehlt – im Moment mehr denn je. „Die politischen Diskussionen werden in Zukunft auch immer stärker zu Medienkritik werden. Das sieht man jetzt in Köln, aber auch am Beispiel der Flüchtlingsberichterstattung“, sagt Stefan Niggemeier. Er sieht seine Aufgabe daher darin, aufzudröseln, wo Medien falschliegen und warum.

Nur, ist das nicht auch gefährlich? Gibt man damit nicht denen Futter, die überall Verschwörung und „Lügenpresse“ wittern?

„Nein“, sagt Niggemeier, „wir dürfen die Medienkritik nicht denen überlassen, die am lautesten sind.“ Dass sie die Lauten nicht erreichen, darauf stellen sich Rosenkranz und Niggemeier ein. „Aber es gibt eine Menge kritischer Medienkonsumenten, die das Vertrauen in die Presse noch nicht ganz verloren haben“, sagt Rosenkranz. In deren Mischung aus berechtigter und unberechtigter Kritik soll Übermedien Ordnung bringen – und hoffentlich dafür sorgen, dass Journalisten gezwungen werden, Fehler zuzugeben und zu berichtigen.

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