Längenbegrenzung auf Twitter: In der Kürze liegt der Reiz

Ein Tweet kann maximal 140 Zeichen haben. Noch. Das Online-Netzwerk Twitter überlegt, die Begrenzung aufzuheben. Das freut nicht jeden.

Auf einem iPhone wird im App-Store das Logo von Twitter angezeigt

Das Unternehmen braucht dringend Wachstum und neue Nutzer. Foto: dpa

Der Nachrichtendienst Twitter – das sind 140 Zeichen Platz, um zu sagen, was man zu sagen hat. Eine Begrenzung, die zwingt, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Ein Alleinstellungsmerkmal. Genau an diesem allerdings scheint das Unternehmen selbst jetzt rütteln zu wollen: Binnen drei Monaten sollen Tweets bis zu 10.000 Zeichen lang sein, berichten mehrere US-Medien unter Berufung auf Quellen aus dem Twitter-Umfeld.

Genauer erklärt der Mediendienst Re/Code: An der Timeline-Ansicht der Nutzer solle sich kaum etwas ändern, hier sollen die Tweets weiterhin 140 Zeichen kurz angezeigt werden. Erst mit einem weiteren Klick solle die Gesamtlänge angezeigt werden.

Damit versucht Twitter offenkundig einen Spagat – indem es sich einerseits für neue Arten von Posts öffnet, ohne sein Alleinstellungsmerkmal der schnellen kurzen Posts aufzugeben. Diese Ambivalenz spiegelt sich auch in einem langen Tweet, mit dem Twitter-Chef Jack Dorsey auf die Medienberichte reagierte.

Darin erklärte er, dass er die Längenbegrenzung bei Twitter liebe, weil sie Kreativität und Kürze inspiriere. Schrieb dann aber, dass das Unternehmen beobachtet habe, dass viele Nutzer Screenshots von Texten posten, um die 140-Zeichen-Schranke zu umgehen. „Was, wenn dieser Text...tatsächlich Texte wäre?“ fragt Dorsey, um die Antwort selbst zu geben: Der Text könnte durchsucht werden, einzelne Versatzstücke vorgehoben. „Das bedeutet mehr Nutzwert und Stärke.“

Insipration von der Konkurrenz

All das bestätigt Gerüchte, die schon seit vergangenem Herbst herumwabern – und seitdem polarisieren. Während der eine Teil der Nutzer fast schon religiös an der Zeichenbegrenzung hängt, mosern andere herum, dass inhaltliche Auseinandersetzungen auf 140 Zeichen praktisch unmöglich sind.

Die Längenbegrenzung für Direct Messages, also die direkte Kommunikation zwischen zwei Twitter-Usern, hatte das Unternehmen schon im Sommer gekippt. Gerade die erste Nutzergruppe reagierte nach den Medienberichten erbost. Sie fürchtet, dass Twitter sein eigenes Konzept verwässert, Nutzer sich künftig verlabern – und damit der Dienst unbrauchbar würde.

Der Schritt bedeutet aber auch: Twitter hat sich genau angeschaut, wie etwa Konkurrent Facebook versucht, Inhalte auf die eigene Seite zu ziehen. Bislang passt in Tweets nicht mehr als der Link zu Inhalten, die anderswo im Netz veröffentlicht wurden. Ist es möglich, auch auf Twitter längere Texte zu posten, motiviert man Nutzer, Inhalte künftig bei ihnen zu hosten. Ganz so, wie Facebook dies mit seiner Instant-Articles-Strategie anstrebt. Ein weiterer Schritt zu einem Internet, das Inhalte bei wenigen Anbietern konzentriert, statt dezentral zu funktionieren.

Rote Zahlen und wenig Nutzer

Das Unternehmen will damit den Einstieg für neue Nutzer erleichtern. Denn eben die hat Twitter bitter nötig: Schwarze Zahlen schreibt das 2006 gegründete Unternehmen bis heute nicht – allen Versuchen, Werbung in die Timeline zu integrieren zum Trotz. Mit 320 Millionen Nutzern weltweit ist Twitter der Zwerg unter den digitalen Kommunikationsdiensten und braucht dringend mehr und schnelleres Wachstum.

Dass die Aufhebung der Längenbegrenzung nun diese Probleme lösen wird, kann heftig angezweifelt werden. Im besten Fall schafft Twitter, dass in der Timeline noch mehr ein- und ausgeklappt werden kann, als das mit Fotos, Vines und anderem Zusatz-Content schon heute möglich ist. Im schlimmsten Fall führt es, allen Vorsichtsmaßnahmen zum Trotz, dass die Nutzer anfangen, sich in ihren Tweets zu verlabern. Und Twitter damit seinen Reiz verliert. Was schade wäre.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.