Finanzierung von Kulturgut: Welche Kunst schafft die Crowd?

Immer mehr Maler, Autoren und Musiker entdecken Crowdfunding für sich. Und profitieren davon, dass viele Mäzene mitbezahlen.

Eine Prognose: Der Autor nach 55 Tagen, in denen er täglich zwei Seiten schrieb. Foto: Tilman Rammstedt

Ein Weg um als Künstler an den Türstehern der Kulturindustrie vorbeizukommen, ist das Crowdfunding. Diese Form der Finanzierung (funding) eines Projektes funktioniert durch eine Menge (crowd) von Geldgebern. Gesammelt wird online. Gerade bei Start-ups ist Crowdfunding beliebt, aber auch für Künstler ist es inzwischen eine Option, das nötige Kleingeld für die Realisierung von neuen Projekten aufzubringen.

Allein auf der Onlineplattform Kickstarter kamen seit 2009 rund 615 Millionen US-Dollar für über 138.000 Projekte in den Bereichen Film, Musik, Kunst, Theater, Fotografie und Tanz zusammen. Künstler stellen hier ihre Ideen und Projekte vor und mit wenigen Klicks können Nutzer sie finanziell unterstützen.

Je nach Höhe der Investition bekommen die Geldgeber eine Gegenleistung. Bei kreativen Projekten sind das meist Prämien in ideeller oder materieller Form. Bei Start-ups sind es eher Unternehmensanteile, oder Zinsen für die jeweilige Einlage. Und bei wohltätigen Zwecken werden so Spenden generiert.

Ohne die Bremser

Für Künstler bietet Crowdfunding mehr Unabhängigkeit von Stipendien, Galerien, Verlegern und Plattenlabels. Die herkömmlichen Strukturen können umgangen werden und es entsteht Raum für neue Projekte, für Comebacks oder Experimente – wenn es die Masse denn auch goutiert.

Aber ist es denn noch Kunst, wenn es auf Bestellung funktioniert? Wird so nur finanziert, was dem Geschmack der Masse entspricht? Und sind diejenigen, die so eine Bühne bekommen, nicht sowieso schon berühmt?

Unsere Autorin Lena Niethammer hat für ihre Geschichte „Malen nach Zahlen“ in der taz.am wochenende vom 16./17. Januar Künstler getroffen, die mit Crowdfunding arbeiten. Tilman Rammstedt etwa, Bestseller-Autor und Bachmannpreis-Gewinner, arbeitet derzeit an einem Experiment. „Morgen mehr“ heißt das Projekt. Innerhalb von 90 Tagen soll Rammstedt ein Buch schreiben, jeden Tag zwei Seiten, die dann per Mail an die Leser geschickt werden.

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Finanziert wird das unter anderem über die Crowdfunding-Plattform Startnext. Mindestens 8 Euro muss man zahlen, um das Rammstedt-Abo zu bekommen. Im Mai soll das gedruckte Buch dann im Hanser Verlag erscheinen.

Der Wille zur Veränderung

Rammstedt sagt, beim Literaturbetrieb gehe er davon aus, dass dieser sein Experiment kritisch beäugt und vielleicht sogar darüber erleichtert wäre, wenn es misslingt, denn „sonst würde es ja bedeuten, dass sie etwas ändern müssten“.

Jo Lendle, Chef des Hanser Verlags, merkt davon nichts. „Natürlich wäre es vermessen, etwas Neues auszuprobieren und dabei zu erwarten, dass jeder Freund der guten, alten Dinge sofort fahnenschwingend mit dabei ist. Wir haben in den letzten Wochen fast ausschließlich Neugier bis Überschwang erlebt, von vorfreudigen Lesern, aber auch aus dem Buchhandel, mit dem wir ja bereits im Vorfeld der Schreibphase kooperiert haben“, sagt er. Ein Rollenmodell für jeden zukünftigen Schreibprozess solle dieses Projekt aber auch nicht werden, sagt er.

Sexuelle Übergriffe passieren täglich. Wir haben taz-Mitarbeiterinnen gebeten, von ihren Erfahrungen zu erzählen. Die Resonanz war riesig. Was sie erlebt haben, lesen Sie in der taz. am wochenende vom 16./17. Januar. Außerdem: Michel Abdollahi hat den Deutschen Fernsehpreis gewonnen. Als Reporter und Muslim geht er dahin, wo es wehtut. Und: Philipp Maußhardt war in Amsterdam und hat das Rezept für eine Schwarzwälder-Hasch-Kirsch-Torte. Das und mehr am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Einige Stimmen aus dem Kulturbetrieb befürchten aber gravierendere Folgen, etwa dass die Philosophie des Crowdfundings Argumente dafür liefern könnte, öffentliche Kunstförderung zu streichen. Und dass dann Arten von Kunst, die nicht zu den Crowdfunding-Plattformen passen, Arten, die sich schon auf herkömmliche Art nur schwer durchsetzen, auf längere Sicht ganz verloren gehen.

Große Namen, große Summen

Und tatsächlich sind es bekannte Namen, die es schaffen, die meisten Investoren zu generieren. Etwa die Performance-Künstlerin Marina Abramović, die auf Kickstarter Geld sammelte um das „Marina Abramović Institute“ zu finanzieren. In nur einem Monat beteiligten sich 4.765 Unterstützer und es kamen 661.452 US-Dollar zusammen. Die Künstlerin hatte prominente Unterstützung von Lady Gaga und Jay-Z.

Auch die US-Hip Hop-Gruppe De La Soul hat durch Crowdfunding ihr neues Album finanziert. Elf Jahre lang war es ruhig um sie, bevor sie Anfang des vergangenen Jahres die Fanbase um Unterstützung baten. Erfolgreich. Rund 11.000 Unterstützer förderten die Musiker mit über 600.000 US-Dollar. Das Album soll am 29. April veröffentlicht werden.

Durch Crowdfunding ist das Publikum ein Teil des Entstehungsprozesses. Die Geldgeber der Künstler, Schriftsteller oder Musiker sind für die Kunst verantwortlich, sie sind Auftraggeber, Talententdecker und Kritiker „ihrer“ Künstler. Wie verändert das das Werk? Welche Kunst schafft die Crowd?

Diskutieren Sie mit!

Die ganze Geschichte „Malen nach Zahlen“ lesen Sie in der neuen Ausgabe der taz.am wochenende vom 16./17. Januar 2016.

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