Initiative gegen Hasskommentare: Zivilcourage statt Zensur auf Facebook

Facebook, Think Tanks und eine Stiftung starten eine Initiative gegen Hassrede im Internet. Es geht um starke Gegenrede statt bloßen Löschens.

Facebook-Symbole auf einem Bildschirm

Rechtsextreme und rassistische Kommentare finden und mit Zivilcourage dagegen halten – darum geht es bei der neuen Initiative, die Facebook mit über einer Million Euro unterstützt. Foto: Reuters

BERLIN taz | „Kommt mir einer von den Abschaum zu nah, der überlebt keine Minute.“ Solche hasserfüllten rechtsradikalen Kommentare gegen Flüchtlinge wüten auf Facebook. Doch das Löschen von grauenhaften Posts löst das Problem nicht. Dafür braucht es aktive Gegenrede, sogenannte Counterspeech, innerhalb der Community. Das hat auch Facebook erkannt und gemeinsam mit renommierten Think Tanks und einer Stiftung die “Initiative für Zivilcourage Online“ ins Leben gerufen.

Europäische NGOs, die sich schon jetzt gegen Hassrede und Extremismus im Internet engagieren, sollen mit einer Million Euro finanziell und bei Marketing-Aktivitäten unterstützt werden. Außerdem will die Initiative wissenschaftliche Forschung auf dem Gebiet stärken und neue Instrumente sowie Lösungsansätze entwickeln.

„Facebook ist kein Ort für Hass und Intoleranz“, sagte Facebook-Managerin Sheryl Sandberg gestern in Berlin, wo sie die europaweite Initiative vorstellte. Mit im Boot sind die Londoner Think Tanks, “International Centre for the Study of Radicalisation and Political Violence“ (ICSR) und “Institute for Strategic Dialogue“ (ISD) sowie die Amadeu Antonio Stiftung, die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus einsetzt.

Takedown, sprich das Löschen von Hasskommentaren, „ist nur ein Bestandteil der Strategie, nicht die Lösung“, sagt Peter Neumann, Leiter des ICSR. Denn im schlimmsten Fall verhilft es den Usern sogar zu mehr Ansehen, erklärt Sasha Havlicek, Geschäftsführerin des ISD. Durch die Zensur würden sie sozusagen zu „Online-Märtyrern“ und noch mehr von ihren Anhängern gehuldigt. Nur zusammen mit systematischer Auswertung und vor allem aktivem Dagegenhalten können Takedowns funktionieren, sind sich alle einig. Noch sei man „Lichtjahre von friedfertiger Kommunikation entfernt“, sagt Anetta Kahane, Vorstandsvorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung.

Zusammenarbeit ja, von Facebook „alles gut finden“ nein

Bisher ist wenig an der Initiative konkret, doch immerhin gebe es nun einen großflächigen Ansatz beim „Kampf der Ideen“, wie Havlicek, die Gegenrede bei Hasskommentaren nennt. Auch Neumann, der sich seit Langem mit Onlineradikalisierung beschäftigt, erklärt: „Wir haben genau eine solche Initiative gefordert.“

Die Zusammenarbeit mit Facebook heiße jedoch beileibe nicht, dass die Organisationen „alles gut finden, was Facebook macht“, betont Neumann. Facebook lege jetzt vor, „aber unser Ziel ist es, dass sich auch andere Partner anschließen.“

Warum die Initiative gerade in Deutschland startet, liege daran, dass die 27 Millionen „Nutzer in Deutschland sehr aktiv“ seien, erklärt Sandberg. Doch Hassrede im Netz sei beileibe kein deutsches Problem. Die vorerst auf Europa konzentrierte Initiative werde sich daher hoffentlich auch weltweit bewähren.

Und das nicht nur virtuell. Grundsätzlich müsse es nämlich darum gehen, dass „aus Online-Hass keine Offline-Gewalt“ werde, betont Neumann. Sandberg malt derweil amerikanisch-pathetische Bilder von Toleranz, Liebe und Weltfrieden. So romantisch das klingen mag, so brisant ist das Problem, dem sich Facebook nun mit einer Million Euro stellt.

Facebook investiert zunächst nur eine Million in die Initiative

Eine verschwindend geringe Summe für den Internetriesen. Allein im dritten Quartal 2015 hat Facebook 717 Mal so viel für Investitionen ausgegeben. Auch Sandberg räumt ein, die Million solle nur der Startschuss sein. „Wir müssen irgendwo anfangen und würden es sehr begrüßen, wenn andere mitziehen.“

Während die „Initiative für Zivilcourage Online“ also noch konkrete Formen annehmen muss, ist Facebook neben Twitter und Google bereits Teil einer Mitte September von Justizminister Heiko Maas gegründeten „Taskforce“, um gegen rassistische und fremdenfeindliche Kommentare vorzugehen. Facebook hat sich verpflichtet, Hasskommentare innerhalb von 24 Stunden zu prüfen und möglicherweise zu löschen, wenn sie deutschem Recht widersprechen. Ende vergangener Woche teilte der Internetriese mit, dass die Bertelsmann-Tochter Arvato dies von Deutschland aus übernimmt.

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