Woher all der Hass?
: Es wäre Zeit für Dankbarkeit

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Neue Heimat

von Jan Feddersen

Ich verstehe Hass einfach nicht. Es fällt mir schwer nachzufühlen, besser: Es ist mir ganz unmöglich nachzufühlen, was Kommentator*innen auf Face­book, in Foren von Zeitungen oder des Fernsehens dazu treibt, irgendwelche Nachrichten mit glutendem, giftelndem Eifer zu begleiten. Das ist nach meiner Erfahrung keine Frage der Rechten. Das können auch Linke. Also, es macht keinen Unterschied, ob die strikteste Form der Aversion von links oder rechts kommt. Momentan dreht sich alles um Flüchtlinge, um die, die man früher „Ausländer“ nannte oder „Gastarbeiter“.

Man muss sie ja alle nicht mögen, sie dürfen einem fremd oder anders oder unverständlich als pure menschliche Existenz sein: Aber ihnen gegenüber Hass zu empfinden? Jenen gar, die aktuell sich um Flüchtlinge kümmern – und zu denen zählt auch die Bundeskanzlerin – aber übelste Strafen zu wünschen, oft gar den quälenden Tod: Das ist deprimierend.

Tatsache ist, dass Deutschland schon immer dauernd anders wird. Das Merkel’sche „Wir schaffen das“ ist nicht einmal ihr politischster Satz der vergangenen Monate, eher schon die lapidar hingeworfene Bemerkung, Deutschland könne Gründlichkeit, jetzt komme es auf Flexibilität an. So cool sind selten verfassungspatriotisch gesinnte Hausaufgaben formuliert worden.

Kein Urdeutscher hat jemals durch Migrant*innen in einem grundsätzlichen Sinne Schlechtes erlitten. Im Gegenteil sind große Teile des einst pur hellhäutigen Proletariats durch Bildungsaufstieg in den sechziger Jahren ins Angestelltendasein aufgestiegen, ihre schmutzigen Jobs übernahmen Männer und Frauen aus Portugal, Italien, Spanien, Jugoslawien, Marokko, Ägypten, Griechenland und der Türkei. Ich finde, daran kann man sich gern mal erinnern: Sie haben unser Land entscheidend mit aufgebaut.

Und ich finde, dass diese Bundesrepublik ohne Einwanderschaft nicht so gelungen wäre – bei allen Misslichkeiten. Man könnte also diesen neuen Bürger*innen in ihrer neuen Heimat dankbar sein. In diesem Zusammenhang: Könnte das nicht einmal in präsidialem Stil Joachim Gauck sagen? Und wäre es nicht einmal an der Zeit, genau diese Dankbarkeit durch Sigmar Gabriel an die Adresse der AfD zu richten – nötigenfalls in ähnlich garstigem Tonfall wie er das so schön kann, wenn er wütend ist? Und könnte es nicht auch einmal möglich sein, dass man der AfD nicht dauernd zu verstehende Motive unterstellt, sondern sie argumentativ, forsch und absolut mit dem Willen zum Punktgewinn unter Druck zu setzen? Und auch dies: Wäre es nicht Zeit, für jedes angesteckte Flüchtlingsheim Sonderkommissariate einzurichten und damit öffentlich die Botschaft zu lancieren, dass selbst der kleinste Zündler nie mehr irgendein Bein auf deutschen Boden kriegt, jedenfalls nicht bis zum Lebensende?

Ich finde, wenn wir schon bei Hass sind, dass dieses Land sich zum ziemlich Friedlichen entwickelt hat. Wer das ändern will, muss mit Widerstand rechnen. Wer unsere offene Gesellschaft nicht will, kann nach Russland gehen, nach ganz weit drüben – da ist das antidemokratische Pack besser aufgehoben.

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