Kommentar Nahles und die Flüchtlinge: Die Regierung ist rat- und haltlos

Die AfD marschiert in Richtung 15 Prozent. Und die anderen Parteien bedienen selbst rechtspopulistische Argumentationsmuster.

Frau mit Brille und langen dunklen Haaren - es ist Arbeitsministerin Nahles - gestikuliert bei einer Rede

Nahles will Flüchltingen Leistungen kürzen, wenn diese sich nicht integrieren Foto: dpa

Noch im Frühjahr 2015 hätte die Bundesregierung die Möglichkeit gehabt, einen Meilenstein der Liberalität in der deutschen Geschichte zu setzen. Deutschland hätte die syrischen Flüchtlingslager in der Türkei, in Jordanien und im Libanon finanzieren und mehrere Hunderttausend Kontingentflüchtlinge aus den Lagern einfliegen lassen können.

Ein Zeichen, dass auch die Bundesrepublik einen Teil (aber eben nur einen Teil) der Verantwortung für die Folgen des Syrienkonflikts tragen muss. Das Asylrecht für politisch Verfolgte wäre davon unberührt geblieben. Syrer, die darüber hinaus aus sicheren Drittstaaten nach Deutschland kommen wollen, hätte die Bundesregierung konsequent zurückweisen können. Die AfD hätte gehetzt, aber das hätte die Regierung gut überstehen können.

Im Frühjahr 2015 kümmerte sich die Bundesregierung bekanntlich um Griechen statt um Flüchtlinge. Dann, mit Budapest, suggerierte sie, alle könnten kommen, die es bis an die deutsche Grenze geschafft hätten. Und damit auch alle, die sich schon in die Türkei gerettet hatten und dort nicht mehr an Leib und Leben bedroht waren. Den Diskurs darüber, wie viele Flüchtlinge Deutschland ökonomisch verkraften kann, überließ sie außerhalb Bayerns der AfD.

Heute steht die AfD im Umfragen bei 12 Prozent, CDU und SPD geraten in Panik. Zu einer Kontingentlösung, notfalls im deutschen Alleingang, verbunden mit der vorbehaltlosen Integration der Menschen, die zu uns kommen, will sich die Bundesregierung noch immer nicht bekennen. Stattdessen beginnt das Bedienen rechtspopulistischer Argumentationsmuster.

Andrea Nahles (SPD) räsoniert über Leistungskürzungen für integrationsunwillige Flüchtlinge – als hätten die Syrer, die zu uns kommen, kein Interesse an Jobs. NRW-Landeschefin Kraft will eine Residenzpflicht, Merkel die Rückreise der Syrer nach Ende des Bürgerkriegs. Die Bundesregierung ist rat- und haltlos, während die AfD in Richtung 15 Prozent marschiert.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

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