Kommentar Skandal beim Ökopionier: Bio-Fleisch kaufen lohnt sich trotzdem

Einer der bekanntesten Biobauernhöfe hat gegen Regeln verstoßen. Aber sogar Skandal-Biohöfe halten Tiere besser als konventionelle Bauern.

Ein Schwein liegt hinter einem Gitter

Szene aus den Herrmannsdorfer Landwerkstätten, aufgenommen von der Gruppe „SOKO Tierschutz“ Foto: SOKO Tierschutz

Wer schon immer etwas gegen Biolebensmittel hatte, wird sich jetzt bestätigt fühlen: Selbst der prominente Ökopionier Herrmannsdorfer Landwerkstätten hat Tieren Antibiotika gegeben, die sein Anbauverband Biokreis ausdrücklich verbietet. Sogar dieser große Betrieb, der bekannteste ökologische Schweinehalter Deutschlands, dieser Medienstar: nun ein Regelbrecher, der dennoch die höheren Preise für angeblich saubere Siegelware kassiert. Lohnt es sich überhaupt noch, Bioprodukte zu kaufen?

Tatsächlich ist der Aufpreis für Biokreis-Lebensmittel gegenüber herkömmlicher Ökoware mit dem geringeren Standard des gesetzlichen EU-Biosiegels kaum noch zu rechtfertigen.

Der Verband hat zwar verboten, die für die Humanmedizin besonders wichtigen Antibiotika im Stall zu verwenden. Aber wenn sich ein Betrieb nicht daran hält, drückt die Organisation beide Augen zu. Gleichzeitig wirbt sie damit, dass sie viel strengere Regeln als die EU-Bioverordnung habe. Da Biokreis hier wegschaut, ist nicht auszuschließen, dass der Verband auch andere Verstöße toleriert. Die Verbraucher werden an der Nase herumgeführt.

Aber Biokreis und die Herrmannsdorfer Landwerkstätten sind nicht „die Ökobranche“. Andere Bioverbände setzen ihre Verbote bestimmter Antibiotika konsequenter um. Klar, es gab auch schon in weiteren Biobetrieben und bei anderen Verbänden Skandale. Die überwiegende Mehrheit der rund 24.000 Biohöfe in Deutschland jedoch bleibt unbescholten. Die Bösewichte sind immer noch die Ausnahme.

Hinzu kommt: Selbst die Skandalhöfe halten ihre Tiere besser als der durchschnittliche konventionelle Betrieb. So war es bei den Biolegehennenfarmen mit zu kleinem Auslauf, die vor einigen Jahren aufflogen. Denn Tiere auf herkömmlichen Höfen haben eben gar keinen Zugang ins Freie. Und die anderen wichtigen Ökoanforderungen hatten auch diese Betriebe erfüllt: etwa Futter, das ohne umweltschädliche Pestizide und Dünger angebaut wurde.

Sogar bei den nun überführten Herrmannsdorfer Landwerkstätten haben die Schweine Auslauf im Freien. Konventionelle Tiere dagegen müssen ihr Leben lang im Stall bleiben, der auch noch viel enger ist als auf Biohöfen. Die Herrmannsdorfer haben meist nur ein Tier pro Tag mit verbotenen Medikamenten behandelt. In herkömmlichen Agrarfabriken werden auf einen Schlag oft Tausende Tiere mit solchen Antibiotika vollgepumpt.

Deshalb muss die Parole lauten: Auf dem Teppich bleiben! Immer noch gilt: Wer Bio kauft, trägt zu einer umwelt- und tierfreundlicheren Landwirtschaft bei.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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