Bearbeitungszeit von Asylanträgen: Syrer müssen wieder länger warten

Die Regierung verfehlt wohl ihr vielfach formuliertes Ziel, Asylverfahren auf drei Monate zu verkürzen. Daran ist sie selber schuld.

Bitte warten: das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg Foto: dpa

BERLIN taz | Die Asylverfahren zu beschleunigen ist das erklärte Ziel der Bundesregierung. Auf dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern im September 2015 versprach sie vollmundig, die Verfahren trotz steigender Antragszahlen auf durchschnittlich drei Monate zu verkürzen. Um den wachsenden Berg der vielen Asylanträge zügig abzuarbeiten, sollte das Personal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kräftig aufgestockt werden. Doch nun räumt die Bundesregierung ein, dass sie ihre ambitionierte Zusage wohl nicht halten kann.

Ob das Ziel erreicht werde, hänge „auch von den Zugängen im Jahr 2016“ ab, heißt es vage in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linkspartei. Man setze aber auf „eine weitere Optimierung der Prozessabläufe“ und eine „schnellstmögliche Personaleinstellung- und Qualifizierung“. Mit anderen Worten: wir sind noch lange nicht soweit.

Schuld daran ist auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU), der Anfang November verfügte, für Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Eritrea wieder zu einer Einzelfallprüfung ihrer Asylanträge mit obligatorischer mündlicher Anhörung zurückzukehren. Diese Einzelfallprüfungen waren im August 2015 ausgesetzt und durch rein schriftliche Verfahren ersetzt worden, weil Flüchtlinge aus diesen Ländern in der Regel ohnehin Asyl erhalten.

Die Rückkehr zur Einzelfallprüfung begründete de Maizière damit, das schriftliche Verfahren habe sich „als zu grobmaschig und lückenhaft erwiesen“, außerdem sei die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien zu stark angestiegen. Über 200 000 syrische Flüchtlinge dürften von der Rückkehr zur Einzelfallprüfung betroffen sein, schätzt Pro Asyl.

Einzelfallprüfung dauert 6,8 Monate

Die Bundesregierung zeigt sich zwar zuversichtlich, dass sich ihre Verfahren nur „um die Durchführung der Anhörung verlängern“ werden. Doch für diese Annahme gibt es wenig Grund. Denn bevor die Einzelfallprüfungen ausgesetzt wurden, dauerten die Asylverfahren syrischer Flüchtlinge im Schnitt 6,8 Monate - die vereinfachten, rein schriftlichen Verfahren dagegen waren nach nur 2,3 Monaten abgeschlossen.

Durch die Rückkehr zur Einzelfallprüfung dürfte sich die Dauer der Verfahren wieder mehr als verdoppeln, fürchtet Ulla Jelpke, die flüchtlingspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag. „Die Bundesregierung will uns für dumm verkaufen“, glaubt sie.

Außerdem hat die Bundesregierung beschlossen, für alle Flüchtlinge wieder zum Dublin-Verfahren zurück zu kehren. Dies würde es ihr erlauben, auch Flüchtlinge aus Syrien wieder in jene europäische Länder abzuschieben, in denen sie zuerst den Boden der EU betreten haben, also zum Beispiel nach Ungarn oder Kroatien. „Deutschland wendet das Dublin-Verfahren aktuell für alle Herkunftsländer und für alle Mitgliedstaaten (außer Griechenland) an. Das gilt auch für syrische Staatsangehörige“, stellt die Bundesregierung in ihrer Antwort vom 20. Januar 2016 klar.

Geringer Ertrag

Der Ertrag dieser aufwändigen bürokratischen Prozedur ist allerdings bescheiden: von 5307 syrischen Flüchtlingen, für die im Jahr 2014 Übernahmeersuchen an andere europäische Länder gestellt wurden, wurden nur 102 dorthin überstellt - das sind weniger als zwei Prozent. Von Januar bis November 2015 gab es bei 8 494 Übernahmeersuchen nur 167 Überstellungen.

Für Jelpke ist klar: Die Rückkehr zum Dublin-Verfahren sei eine Schikane, die zu nichts führe - „außer zur Verunsicherung der Betroffenen, zu verzögerter Integration, zu enormem bürokratischem Aufwand und zahllosen Gerichtsverfahren“. Denn zahlreiche Betroffene dürften gegen ihre drohende Abschiebung nach Ungarn oder Kroatien klagen.

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