Enthüllungsblog „Football Leaks“: Legalisierung der Leibeigenschaft

Jeder kennt Wikileaks. Aber was haben die Enthüllungen von „Football Leaks“ gebracht? Über die Machenschaften der Kapitalgeber von Doyen Sports.

Zwei Fußballspieler im Kopfballduell

Nicht bei jedem Kopfball eines Spielers von Twente Enschede (l.) verdient Doyen Sports mit. Aber bei bestimmten Spielerverkäufen Foto: reuters

Die Profifußballszene zeichnet sich nicht gerade durch Bescheidenheit aus, deswegen verwundert es kaum, wenn sich das Unternehmen Doyen Sports mit Aplomb im Internet vorstellt. In großen bunten Lettern wird ein Heilsversprechen verkündet: „We are Dreammakers.“

Mit offensichtlich hypertrophem Selbstbewusstsein wird eine weitere Firmenphilosophie präsentiert: „We are born winners.“ Und auch diese Phrase darf nicht fehlen in Doyens Portfolio der Rodomontade: „We are paradigm changers.“ Bei Doyen Sports, den geborenen Gewinnern, werden also Träume wahr und alte Gewissheiten einfach umgestürzt. Fragt sich nur wie? Und für wen?

Doyen Sports ist in den Fokus der Öffentlichkeit geraten, weil ein paar Hacker aus Portugal Julian Assange bewundern und ein sogenanntes Football Leaks kreiert haben. Es kursieren Verträge von Fußballprofis im Netz, zum Beispiel der Kontrakt von Toni Kroos, der pro Jahr knapp 11 Millionen Euro beim FC Real Madrid verdient.

Das alles befriedigt die Neugier des gemeinen Fußballfans, der sich über die horrenden Summen und diversen Klauseln zur Aufbesserung des ohnehin schon fürstlichen Salärs erregen mag, aber ein Skandal lässt sich daraus schwerlich ableiten.

Einfluss auf die Transferpolitik von Klubs

Dokumente zum Treiben von Doyen Sports hatten da schon mehr Substanz, denn das Unternehmen mit Hauptsitz in London und Malta sowie Dependancen in Spanien, Brasilien und Portugal ist ein besonders gewiefter Clownfisch im Reich der Prachtanemonen. Doyen Sports berät nicht nur Stars wie Neymar und Xavi oder den Tennisveteranen Boris Becker, das Unternehmen verleiht auch Geld an Fußballklubs, zum Beispiel an Twente Enschede aus Holland.

Das wird von Doyen Sports gern als menschenfreundliche Tat ausgelegt, denn auf diese Weise hätten auch weniger betuchte Klubs in Europa die Möglichkeit, mit den Großen mitzuhalten: „Wir möchten nicht in einer Welt leben, wo nur reiche Klubs Trophäen gewinnen können“, verriet Doyen-Vorstandsvorsitzender Nélio Lucas unlängst dem Independent.

„Wir möchten nicht in einer Welt leben, wo nur reiche Klubs Trophäen gewinnen“, sagen sie

Twente Enschede wurde ein Darlehen in Höhe von 5 Millionen Euro gewährt. Doyen Sports erhielt im Gegenzug Anteile an den Transferrechten von sieben Spielern. Die Idee dahinter: Steigt deren Marktwert und werden die Profis künftig einmal verkauft, dann profitiert Doyen Sports anteilig. Das gilt auch bei weiteren Transfers der Spieler.

Aber was passiert, wenn der Klub seine Spieler halten will? Im Fall von Twente Enschede hatte Doyen Sports vorgesorgt. Der Investor sollte entschädigt werden, falls der Verein ein Angebot für einen der Spieler ablehnt. Damit war für den niederländischen Fußballverband klar, dass Doyen Sports auf unlautere Weise Einfluss auf die Transferpolitik des Klubs genommen hatte.

Third Party Ownership

In der Fachsprache des Fußballs wird so etwas Third Party Ownership genannt. Es ist eine moderne Form der Leibeigenschaft. Der Weltverband Fifa hat das verboten. Twente Enschede wurde abgestraft, darf drei Jahre nicht an Europapokalwettbewerben teilnehmen und musste obendrein 42.500 Euro zahlen. Damit ist aber das gewinnbringende Geschäftsmodell von Doyen Sports keineswegs tot.

Die direkte Form der Leibeigenschaft mag nicht zulässig sein, aber das sogenannte Third Party Investment ist es schon. Benennt man also nicht explizit bestimmte Spieler, sondern kauft anteilig Transferrechte am gesamten Kader, dann ist das Investment offenbar okay. Dann erscheint Doyen Sports nicht als Menschenhändler, sondern als Klubinvestor: eine Investition in Beine, wie Fußballmanager in diesem Fall sagen.

Die Menschheit hat ein Gewaltproblem. Kann man das ändern, wenn man den Nachwuchs entsprechend erzieht? Lesen Sie mehr darüber in der taz.am wochenende vom 13./14. Januar 2016. Außerdem: Ryan Gattis hat einen genau recherchierten Roman über die L.A. Riots geschrieben – "In den Straßen die Wut". Und: Batumi in Georgien ist eine absurde Stadt, besonders im Winter. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Die Legalität dieses Modells hat der Sportgerichtshof CAS, der im schweizerischen Lausanne tagt, in einem nur zum Teil veröffentlichten Urteil im Dezember 2015 bestätigt. Gestritten hatten sich Doyen Sports und Sporting Lissabon. Sporting wurde dazu verurteilt, Doyen Sports über 11,5 Millionen Euro zu zahlen. Es geht also um Nuancen in der Beurteilung von TPO (Third Party Ownership) und TPI (Third Party Investment).

Das CAS-Urteil nahmen die Verantwortlichen von Doyen Sports euphorisch auf. Es habe die Integrität und Rechtsgültigkeit des Doyen’schen Modells der Geldleihe bestätigt, ließ das Unternehmen wissen. Die Klubs hätten volle Kontrolle über ihre Transferpolitik und Spieler das letzte Wort darüber, wo sie spielen wollten. „Wir besitzen niemanden, die Idee, Investoren könnten andere Menschen besitzen, ist aberwitzig, wir haben diese Idee seit Hunderten von Jahren hinter uns gelassen“, sagte Nélio Lucas. Zulässig ist das Modell aber wohl nur, weil Doyen Sports aus dem Fall Twente Enschede gelernt hat. Jetzt werden die Spieler in den Verträgen nicht namentlich benannt, und der Klub kann auf eine Ausstiegsklausel pochen, falls der Klub ein Transferangebot ablehnt.

In der nächsten Zeit wird vor allem die IT-Abteilung von Doyen Sports viel zu tun haben. Denn die Hacker von Football Leaks haben sich wohl ins Computersystem von Doyen Sports geschlichen. Von Erpressung ist die Rede. Es ist eine Geschichte aus dem wilden Reich des Profifußballs, in dem es so unfassbar viel Geld zu verdienen gibt.

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