Maßnahme gegen Hass-Kommentare: Nachrichtenportal verbietet Pseudonyme

Mit einer Pflicht zum Klarnamen geht die Nachrichtenwebseite shz.de gegen hetzerische Beiträge vor. Das stößt auf heftige Kritik bei Datenschützern.

Pseudonyme oder anonyme Masken: Nicht nur auf der Straße, noch lieber im Internet verstecken Menschen ihr Gesicht. Foto: Marc Tirl (dpa)

HAMBURG taz | Der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (SHZ) hat vergangene Woche auf seiner Nachrichtenwebseite shz.de eine Klarnamenspflicht für die Nutzer eingeführt. Datenschützer finden dies problematisch. „Es ist nicht möglich, sich über das Telemediengesetz hinwegzusetzen“, sagt Marit Hansen, Landesdatenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein.

„Raus mit dem Gesindel!“, „Lügenfresse, Lügenpresse!“ – Hetzparolen, Beleidigungen und populistische Propaganda gehören seit geraumer Zeit zum Alltag auf sozialen Netzwerken und Nachrichtenportalen. Nicht selten tarnen sich Nutzer hinter Pseudonymen oder treten anonym auf. Mit seinen neuen Richtlinien will der SHZ wieder einen fairen und höflichen Diskurs befördern.

Denn viele Kommentatoren seien durch unsachliche Diskussionen abgeschreckt worden, sagt Miriam Richter, Online-Redakteurin beim SHZ. Mit der Einführung der Klarnamenspflicht sollen nun Netzhetzer abgeschreckt werden. Entsprechend darf man fortan nur noch mit dem richtigen Vor- und Zunamen kommentieren. Doch um gegen Hetze vorzugehen, sei dies der falsche Weg, sagt Patrick Breyer von der Piratenpartei.

Der Schleswig-Holsteinische Landestagsabgeordnete sieht das Recht auf einen freien und anonymen Meinungs- und Informationsaustausch im Netz in Gefahr. Die Unterdrückung des unbefangenen Meinungsaustausches würde etwa bei Gewaltopfern oder Informanten dazu führen, dass sie aus Furcht vor Repressalien die eigene Meinung nicht äußern. Anonymität gewährleiste das grundgesetzlich geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung. Derartige Restriktion fördere zudem die Radikalisierung im Untergrund. Die Aufklärung und strafrechtliche Verfolgung von Volksverhetzung oder Aufforderungen zu Straftaten würden dadurch erschwert.

Der Dienstanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist.

Der Nutzer ist über diese Möglichkeit zu informieren.

Personenbezogene Daten eines Nutzers darf der Anbieter entsprechender Dienste nur erheben und verwenden, soweit sie für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses erforderlich sind.

Geregelt wird hier die Nutzung von Telemedien zwischen dem Dienstanbieter und dem Nutzer.

Doch auch medienrechtlich sei eine Klarnamenspflicht problematisch, sagt Marit Hansen. „Das Telemediengesetz sieht vor, dass Diensteanbieter die Nutzung ihrer Angebote auch unter einem Pseudonym oder anonym anbieten müssen“, so Hansen. Zumindest soweit dies technisch möglich und zumutbar sei. Beides sei aber im Falle des SHZ gegeben. Daher gebe es keine Notwendigkeit, den Klarnamen einzufordern – auch da die Nutzung von Pseudonymen bei anderen Nachrichtendiensten gut funktioniere. Außerdem gebe es immer noch die Möglichkeit justiziable Kommentare durch eine Moderation der Seite zu löschen oder Nutzer, die gegen die hauseigene Netiquette verstoßen, zu sperren.

Anders sah das der damalige Vorsitzende der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ Axel Fischer (CDU), der sich für ein „Vermummungsverbot im Internet“ aussprach. Fischer argumentierte, dass unter der Möglichkeit sich pseudonymisiert im Netz zu äußern „die Qualität von Diskussionen in Foren und Blogs“ leide. Die Anonymität verleite Nutzer zu Äußerungen, die sie hinterher bereuen könnten. Er halte es für bedenklich, dass sich Nutzer durch ein selbst gewähltes Pseudonym vermeintlich jeglicher Verantwortung für Äußerungen entzogen. Seine im November 2010 ausgesprochene Forderung nach einem pauschalen Klarnamenszwang stieß wie auch bei shz.de auf Kritik. Doch der SHZ steht vor einem weiteren Problem: Als eine Konsequenz aus der Klarnamenspflicht behält sich die Redaktion vor, einen Identitätsnachweis einzufordern.

Wie dies erfolgen soll, wird aus den AGBs nicht ersichtlich. Es werde über das Einfordern einer Ausweiskopie nachgedacht, sagte die Redaktion auf Nachfrage. Der gesamte Prozess befinde sich in der Modifikation. Marit Hansen beanstandet darin einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Demnach darf jeder Einzelne selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten entscheiden. Einen Identitätsnachweis dürfe der SHZ nicht verlangen. Hansen habe nun mit der Redaktion gesprochen. Diese wird die Richtlinien juristisch überprüfen lassen.

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