Soziale Netzwerke in Afghanistan: Eheversprechen auf Facebook

Junge Leute in Afghanistan kommunizieren in sozialen Netzwerken mit möglichen Partern. Der Vorteil: Die Älteren haben davon wenig Ahnung.

Ein Bildschrim zeigt ein Facebookfoto von einer Frau mit Kopftuch

Auf Facebook kennengelernt: Hadi Sadiki chattet mit seiner Frau Maleka Yawari. Foto: ap

KABUL ap | Seit langem schon nutzte der afghanische Aktivist Hadi Sadiki soziale Netzwerke, um sich mit anderen Menschen über Nachrichten, Kommentare und seine eigenen politischen Ansichten auszutauschen. Eines Tages geriet er mit einem Mitglied seines Facebook-Forums in eine hitzige Debatte. Dann wurde die Kommunikation zwischen Sadiki und Maleka Jawari immer persönlicher, und es ging nicht mehr um Zeitungsartikel oder Kommentare. An deren Stelle traten Fotos und Liebesbriefe – und schließlich folgte das Eheversprechen.

„Wie sich herausstellte, kommen wir beide aus demselben Bezirk in der Provinz Ghasni, aber wir hatten uns nie getroffen und noch nicht einmal voneinander gehört“, sagt Sadiki. Das ist nicht ungewöhnlich für Afghanistan, wo das Leben von Frauen noch immer weitgehend auf das Haus ihrer Familie beschränkt ist und Ehen üblicherweise arrangiert werden. 15 Jahre nach dem Sturz der Taliban werden Frauen noch immer wegen angeblicher sexueller Verfehlungen von Verwandten getötet, und unverheiratete Liebespaare können von ihren Nachbarn zu Tode gesteinigt werden.

Doch soziale Onlinenetzwerke erlauben immer mehr jungen Leuten, sich relativ sicher außerhalb der strengen gesellschaftlichen Vorgaben zu begegnen. Sadiki sagt, beider Familien seien von der heimlichen Romanze überrascht gewesen. Er und Jawari hatten über Facebook kommuniziert, während er in Kabul lebte und sie im benachbarten Kasachstan Wirtschaft studierte. Aber die Familien hätten sofort zugestimmt, „und vor einem Jahr haben wir geheiratet“.

Dieser Trend ist weitgehend auf die städtische Mittelschicht beschränkt. Nur 10 bis 20 Prozent der Afghanen haben laut Roschan, dem führenden Telekommunikationsanbieter des Landes, Zugang zum Internet. Doch Afghanistan baut derzeit ein 3G-Netz auf, und Smartphones werden immer erschwinglicher. Deshalb dürften künftig immer mehr Menschen Zugang zum Internet bekommen, auch in abgelegenen ländlichen Gebieten.

Generationswandel dank Internet

Anders als in anderen Ländern der Region gibt es in Afghanistan keine offiziellen Einschränkungen für das Internet. Im benachbarten Pakistan wurde kürzlich ein seit drei Jahren geltendes Verbot für YouTube aufgehoben, nachdem Google eine Spezialversion für das Land eingerichtet hatte. Peking zensiert das Internet seit mehr als zehn Jahren mithilfe eines als „Große Firewall von China“ bezeichneten Systems, und der Iran blockiert Facebook, Twitter und YouTube. In Afghanistan dagegen ist Facebook weit verbreitet, und auch WhatsApp, Viber, Skype und Instagram sind populär.

Der in Kabul ansässige Medienberater Ben Bruges sagt, Afghanistan habe einen gewaltigen Generationswandel erlebt. Die Jugend nutze Technologien, die ihre Eltern nicht verstehen, um den traditionellen, konservativen Einschränkungen zu entfliehen. Angesichts der Restriktionen, denen die verschiedenen Geschlechter in Afghanistan ausgesetzt seien, könnten online möglicherweise mehr junge Leute miteinander zu sprechen als dies sonst in ihrem täglichen Leben möglich wäre, erklärt Bruges.

Maksud Akbari, ein Arzt aus der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif, stimmt dieser Aussage zu. Er umwarb seine heutige Frau heimlich auf sozialen Netzwerken, nachdem er sie 2008 in einer Bibliothek gesehen hatte. „In dieser konservativen Gesellschaft einen passenden Ehepartner zu finden, ist eine echte Herausforderung“, sagt er. „Das Internet bietet ein Maß an Sicherheit, schützt die soziale Würde eines Paares und bietet eine kostbare Möglichkeit für junge Leute, einander zu treffen.“

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