Kolumne Dumme weiße Männer: Die Bürde des Reichtums

Weiße Männer sind stolz darauf, reicher zu sein als zum Beispiel „Wirtschaftsflüchtlinge“. Dabei haben sie ihren Wohlstand über Jahre zusammengeklaut.

Goldmünzen liegen in zwei Händen

Da können nicht alle was von abhaben. Foto: dpa

„Ich bin richtig reich”, sagt Donald Trump gerne und oft. Da ist es egal, dass nicht so wirklich bekannt ist, wie reich er wirklich ist. Oder, dass er wohl reicher gewesen wäre, hätte er sein Geld in einfache Investmentfonds angelegt, statt zu versuchen, Geschäfte zu machen. Er ist richtig reich, und dabei schwillt ihm die Brust. Es gibt manche Leute, die wurden auf der „third base” eines Baseballfeldes geboren und glauben, sie hätten besonders gut geschlagen, schrieb der New Yorker mal. Donald Trump sei dort geboren worden und meine, er habe Baseball erfunden.

Von Trump ist nichts anderes zu erwarten, ist er doch der prototypische dumme weiße Mann. Aber er ist nicht alleine. Der Trump in der Otto-Normalkartoffel zeigt sich zum Beispiel immer, wenn ein besorgter weißer Bürger etwas von „Wirtschaftsflüchtlingen” faselt, die bitteschön an jenem Ort der Armut zu bleiben hätten, den ihnen das Schicksal beschert hat. Wir können schließlich nicht alle aufnehmen.

Das Schicksal ist schön, wenn es auf der eigenen Seite steht. Wer in Deutschland geboren wurde, gehört automatisch zum reichsten Fünftel der Welt. Die mehrheitlich weißen Länder, die oft auch „der Westen” genannt werden, sind dabei allesamt in der reicheren Hälfte der Weltbevölkerung angesiedelt. Und unter den 62 reichsten Menschen der Welt, die (umstrittenerweise) so viel besitzen wie die ärmsten 3,5 Milliarden, sind 40 weiße Männer.

Nur ist eben auch das Schicksal menschengemacht. Das eher unfruchtbare Europa war über Jahrtausende nicht zufällig kaum bevölkert und muss sich heute seine Überbevölkerung mit Landgrabbing in anderen Weltteilen und parasitären Wirtschaftsbeziehungen leisten, die jährlich zwei Billionen Dollar aus armen Ländern in reichere transferieren. Nicht umsonst zogen von Europa Menschen aus, damit sie ihr Essen mit anderen Dingen würzen könnten als Pökelsalz und Petersilie.

Dividende in der Hungersnot

Noch mitten in der Kolonialzeit waren die reicheren Länder der Welt nur etwa drei Mal so reich wie die ärmeren – zum Ende der Kolonialzeit waren sie um den Faktor 35 reicher. Wie das passieren konnte, ist kruder, als man sich vorstellen mag: Als die Aktiengesellschaft weißer Männer, die britische East India Company, durch hinterhältige Verschlagenheit den Herrscher Bengalens besiegte, verschiffte sie die Staatskasse im Wert von 2,5 Millionen Pfund (heute etwa 250 Millionen Pfund, also das Hundertfache) kurzerhand nach England, um sie an die Anteilseigner auszuschütten.

Sie baute den Staat ab, machte die Region zu einem riesigen landwirtschaftlichen Gut und gab sich die „Bürde des weißen Mannes“ ihren neuen Untertanen endlich zu zeigen, wie Zivilisation wirklich geht. In den nächsten Jahrzehnten verschiffte die Company Güter im Wert von 40 Millionen Pfund nach Europa.

Als 1769 eine vierjährige Hungersnot begann, erhöhten die Anteilseigner ihre jährliche Dividende von 10 Prozent auf 11 Prozent, dann auf 12 Prozent und schließlich auf 12,5 Prozent und zwangen Landwirte in Bengalen, weiter Indigo und Opium anzubauen, um diese auch zu erreichen. Derweil starben rund 10 Millionen Menschen.

Die Indifferenz gegenüber menschlichem Leid, wenn es um den Profit geht, kann man bei weißen Männern bis heute beobachten – veranschaulicht in der Verfilmung von „The Big Short” zur Finanzkrise 2008 sehen: Bösartige weiße Männer stellen zweifelhafte Finanzprodukte auf, die dumme weiße Männer an Arme verkaufen. Andere weiße Männer wetten auf den Kollaps, obwohl dieser die Zerstörung von Millionen Existenzen und womöglich sogar eine weltweite Krise mit sich bringen würde.

Entschädigungen sind kaum möglich

Wer meint, das seien nur die Machenschaften der Angelsachsen, irrt: So trennscharf waren Nationalitäten in der Kolonialzeit nicht – schließlich wurde Großbritannien bis Anfang des 20. Jahrhunderts noch von den Häusern Hannover und Sachsen-Coburg und Gotha regiert, die selbsternannte Kaiserin Viktoria war Halbdeutsche.

Zigtausende der Angestellten der niederländischen Ostindiengesellschaft waren Deutsche, zahlreiche Anteilseigner der britischen East India Company ebenfalls. Und während der deutsche Kolonialismus für das Reich ein Verlustgeschäft war, bot er für viele deutsche Unternehmer die Möglichkeit, große Profite einzustreichen.

Würden weiße Männer heute die riesigen Profite zurückzahlen müssen, die sie einst durch den Raub von Bodenschätzen, ungerechte Handelsbeziehungen und Ausbeutung von ArbeiterInnen und SklavInnen akkumulierten, würde die Rechnung sich wohl auf Hunderte, wenn nicht Tausende Billionen Dollar belaufen. Nicht einmal die 40 reichsten weißen Männer der Welt haben so viel.

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Lalon Sander ist Datenjournalist. Sein Schwerpunkt liegt in der Aufbereitung von Datensätzen zum Klimawandel.

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