NPD-Verbot

Am Dienstag beginnt vor dem Bundesverfassungsgericht der zweite Versuch der Bundesländer, die rechtsradikale Partei zu verbieten

Kampf der Juristen

Doppelporträt Der Berliner Rechtsprofessor Christoph Möllers will in Karlsruhe das NPD-Verbot im Auftrag des Bundesrats durchfechten. Der 30 Jahre junge, ehrgeizige NPD-Anwalt Peter Richter hält dagegen und verspricht einen „Knaller“ im Prozess

Der Mann für die Regierung: Christoph Möllers ist derzeit Dauergast in Karlsruhe Foto: Andreas Pein/laif

Und in der rechten Ecke: der saarländische Rechtsanwalt Peter Richter Foto: Stockhoff/imago

Was: Der Bundesrat hat 2013 beantragt, die rechtsextremistische NPD zu verbieten. Sie sei wesensverwandt mit der NSDAP, wolle die parlamentarische Demokratie durch einen rassistischen Volksstaat ersetzen und sorge in Teilen Deutschlands für ein Klima der Angst.

Wann: Am Dienstag beginnt eine zumindest dreitägige mündliche Verhandlung. Das Urteil wird im Sommer erwartet. 2003 scheiterte ein Versuch, die NPD zu verbieten, weil noch während des Verfahrens NPD-Führungskader vom Verfassungsschutz als I­n­formanten bezahlt wurden. (chr)

Für die NPD: Peter Richter

Peter Richter gibt sich dieser Tage gerne geheimnisvoll. Überraschungen werde es in Karlsruhe ­geben, sagt der NPD-Anwalt, „Knaller“ gar. Mehr könne er vorab natürlich nicht verraten. Man wird sehen. Es könnte das finale Getöse der NPD sein.

Oder auch nicht. Bei Richter weiß man nie. Der Anwalt, gerade mal 30 Jahre alt, Allerweltsgesicht mit eckiger Metallbrille, genießt seine aktuelle Rolle. Wenn ab Dienstag in Karlsruhe über das NPD-Verbot verhandelt wird, ist es an Richter, der rechtsextremen Partei die Existenz zu retten. Und dem Saarländer eilt ein Ruf voraus.

Richter legte eine exzellente Ausbildung hin. Abitur mit 1,0, ein Jura-Abschluss mit Prädikat. Richter hätte vieles werden können – wäre er nicht schon mit 18 Jahren in die NPD eingetreten. Schon seine Eltern denken nach Richters eigener Auskunft weit rechts, als Teenager fordert der Sohn Infomaterial der NPD an, besucht Parteiveranstaltungen. Dann tritt er in die Partei ein – just während des ersten NPD-Verbotsverfahrens, das 2003 scheiterte. Eine Provokation. Wie so oft bei Richter.

Inzwischen ist er NPD-Vizechef im Saarland und sitzt für die Rechtsextremen in der Saarbrücker Regionalversammlung. Dort stimmt er, ganz auf Parteilinie, gegen Haushaltsgelder für Flüchtlinge, wettert auf seiner Abgeordnetenseite gegen die „herrschenden Deutschlandabschaffer“ und klagt über eine „Islamisierung unserer Heimat“.

Für die Partei ist Richter aber an der juristischen Front deutlich wertvoller. Seit Jahren vertritt er die NPD vor Gerichten, auch in Karlsruhe. Mit einigem Erfolg. Er klagte für die NPD und mit anderen Parteien gegen die Dreiprozenthürde bei Europawahlen – die Neonazis bekamen am Ende ein Mandat in Brüssel. Als Bundespräsident Joachim Gauck die NPD „Spinner“ nannte, zog Richter ihn vor das Bundesverfassungs­gericht. Auch wenn die Neonazis unterlagen: Für das Staatsoberhaupt war es ein ärgerlicher Termin. Und in Hessen sorgte Richter dafür, dass Kommunen ein zuvor einkassiertes NPD-Plakat gegen Sinti und Roma wieder aufhängen mussten. Das Verwaltungsgericht sah es von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Permanente Nadelstiche

Es sind diese permanenten Nadelstiche, von Richter selbstsicher durchgefochten, die Eindruck hinterlassen haben. Die Bundesländer, Gegenseite der NPD, halten es daher nicht für ausgeschlossen, dass Richter tatsächlich eine „Überraschung“ nach Karlsruhe mitbringt. Einen V-Mann etwa. Beim letzten Mal, als die NPD verboten werden sollte, 2003, scheiterte das Verfahren an gleich mehreren Spitzeln, die in der NPD-Führung enttarnt wurden. Diesmal versicherten die Länder, in den Bundes- und Landesvorständen keine Zuträger mehr zu haben, und dokumentierten die Abschalterklärungen der elf vermeintlich letzten Zuträger.

Richter reicht das nicht. Was sei mit den Landtagsfraktionen, fragte er, als der Bundesrat seine Testate vorlegte, was mit V-Leuten, die Kontakt zur Parteiführung hätten? Zudem vermutet Richter, dass auch die Kommunikation zwischen ihm und der NPD-Spitze überwacht werde. Richter nennt das als Grund, warum sich seine Partei bis heute im Verfahren nicht zum Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit eingelassen hat.

Es ist freilich Strategie: Der Anwalt will lieber über die vermeintliche Diskriminierung seiner Partei diskutieren lassen als über deren tiefbraunen Charakter. Dass Richter dafür immer wieder den Rechtsstaat anruft, während in seiner Partei gegen den „BRD-Justizapparat“ oder das „korrupte System“ geätzt wird, kümmert Richter nicht.

Erst vor zwei Wochen stand er auf der Bühne einer Saarbrücker Festhalle. Die NPD lud zum „Politischen Aschermittwoch“, Richter trug schwarzen Anzug und Krawatte, vor ihm saßen fast nur Männer, einige kippten ihr Bier direkt aus der Flasche. Dort äußerte sich Richter sehr wohl inhaltlich zur Verbotsverhandlung. Diese schmähte er als „Unverschämtheit“. Es gehe darum, die Opposition gegen die derzeitige Flüchtlingszuwanderung auszuschalten, die „Stimme des Volkes“. „Wir werden uns nicht dafür rechtfertigen, dass wir unser Land lieben“, rief Richter in den Saal. „Rechtfertigen müssen sich die multikulturellen Extremisten, die dieses Land zugrunde richten.“

Da war er wieder, der Ideologe. Trotzdem gehört Richter nicht zu den Lautsprechern seiner Partei, auf Szeneaufmärschen sieht man ihn fast nie. Richters Kampfplatz ist der Schreibtisch, seine Worte kalkuliert er genau.

Im Verbotsantrag werden dagegen auch NPD-Politiker zitiert, die von einer „Judenrepublik“ sprachen, von „multikulturellen Ratten“ oder die am Tag des Hitler-Geburtstags den „größten Sohn unseres Volkes“ priesen. Hier gerät Richter in die Defensive. Er würde „nicht jede Vokabel“ unterschreiben, die in seiner Partei fiel, sagt er. Das Parteiprogramm hingegen schon.

An ein Verbot der NPD glaubt Richter nicht. Verliert er in Karlsruhe, will er mit seiner Partei weiterziehen, nach Straßburg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Für den 30-Jährigen hat der Kampf gerade erst begonnen.

Konrad Litschko

Für die Länder: Christoph Möllers

Für Staatsrechtler gibt es kaum etwas Anspruchsvolleres als einen Auftritt vor dem Bundesverfassungsgericht. Auf der Richterbank sitzen dann acht top-vorbereitete JuristInnen. Sie haben die Schriftsätze der Prozess­parteien bereits intensiv vorberaten und versuchen jetzt, deren Schwachstellen offenzulegen. Schon mancher Anwalt und Professor war diesem Härtetest nicht gewachsen und hat sich in Karlsruhe böse blamiert.

Einer hat dagegen in den letzten Jahren meist brilliert: der Berliner Rechtsprofessor Christoph Möllers. Kaum jemand kann in solchen Situationen so geistesgegenwärtig auf Richterfragen reagieren wie er. Meist redet er dabei auch so schnell und nuschelig, dass sich nun ihrerseits die Richter sehr konzentrieren müssen, um zu verstehen, was er antwortet.

Seine Karlsruher Feuertaufe erlebte Möllers im Dezember 2009, als er die Bundesregierung im Streit um die Vorratsdatenspeicherung vertrat. Die zuständige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) war zu Hause geblieben, sie gehörte ja selbst zu den Klägern. Die Staatssekretärin Birgit Grundmann verteidigte das Überwachungsgesetz mit keinem Wort. Möllers stand also ganz allein gegen drei Klägergruppen und eine sichtlich skeptische Richtermehrheit. Zwar verlor er den Prozess, und die Vorratsdatenspeicherung wurde gekippt. Aber Möllers machte damals einen so guten Eindruck, dass er seither immer wieder die Bundesregierung in Karlsruhe vertritt.

Zurzeit ist Möllers, der trotz seiner 47 Jahre immer noch jungenhaft wirkt, geradezu Dauergast am Verfassungsgericht. Vor dem NPD-Prozess war er Anfang Februar am Verfahren über die Rolle der Europäischen Zentralbank bei der Eurorettung beteiligt. Mitte März wird er die Regierung im Prozess der Atomkonzerne gegen den Atomausstieg vertreten. Und kurze Zeit danach wird das Verfahren zum BKA-Gesetz beendet, bei dem Möllers ebenfalls auf Regierungs-Seite stritt.

Sechzehn Auftraggeber

Da die Bundesregierung im NPD-Verfahren auf einen eigenen Verbotsantrag verzichtete, konnte sich diesmal der Bundesrat als Antragsteller die Dienste Möllers’ sichern. Aus Möllers’ Sicht ist das Verfahren besonders komplex, weil er hier so viele Auftraggeber hat, nämlich 16 Bundesländer mit jeweils eigenen Sichtweisen. Der Bundesrat engagierte deshalb auch gleich ein Duo: Möllers vertritt dabei die SPD-geführten Länder, während sein Kollege, Christian Waldhof, für die unionsregierten Länder arbeitet. Beide sind aber ein gutes Team, da sie schon seit Studienzeiten befreundet sind.

Möllers kommt ursprünglich aus Bochum. Aus Oppositionslust wurde er im SPD-dominierten Ruhrgebiet erst einmal Mitglied der Grünen. Später landete er dann aber doch bei den Sozialdemokraten. Als Rechtsprofessor forschte und lehrte er in Münster, Göttingen und seit 2009 an der Humboldt-Universität Berlin. Immer wieder ist er auch selbst als Verfassungsrichter im Gespräch.

2011 veröffentlichte er zusammen mit drei Kollegen das Buch „Das entgrenzte Gericht“, in dem das Bundesverfassungsgericht hart angegangen wurde. Möllers zweifelte dabei auch am Nimbus des Verfassungsgerichts und ob dessen Beliebtheit tatsächlich die Akzeptanz des Staates erhöhe.

Wissenschaftlich beschäftigt sich Möllers auch mit Rechtsphilosophie. Den Spagat zwischen der konkreten Interessenvertretung vor Gericht und der zweckfrei-abstrakten Wissenschaft findet er besonders reizvoll. Jüngst machte ihn die Deutsche Forschungsgemeinschaft zum Leibniz-Preis-Träger 2016. Das Preisgeld in Höhe von 2,5 Millionen Euro muss er nun binnen sieben Jahren in Forschungsprojekte investieren. Was er genau vorhat, wird er im Sommer überlegen, wenn er Elternzeit für sein zweites Kind nimmt. Vermutlich wird er künftig aber weniger Zeit für Karlsruher Mandate haben. CHRISTIAN RATH