Landtagswahl in Sachsen-Anhalt: Mang de Maschine

Die SPD träumte in Sachsen-Anhalt mal von der Führung in einer rot-rot grünen Regierung. Nun liegt die Partei in Umfragen selbst hinter der AfD.

SPD-Kandidatin Katrin Budde steht mit mehreren Jugendlichen vor einem Laptop-

Was der Wahl-O-Mat der SPD-Spitzenkandidatin wohl vorschlägt, zu wählen? Foto: dpa

BERNBURG taz | Vom SPD-Landtagskandidaten Hagen Neubauer in Bernburg kann man eine anhaltische Redensart lernen. „Mang de Maschine“ steckten die Sozialdemokraten. Also in der Falle, in der Klemme. Im Wahlkampf in Sachsen-Anhalt müssen sie gleich an mehreren Fronten kämpfen.

Der Kampf könnte in einem Debakel enden: 15 bis 18 Prozent prophezeien Umfragen der SPD. Es wäre Platz vier, nicht nur deutlich hinter CDU und Linken, sondern auch hinter der AfD.

Die Rechtspopulisten sind die erste Front für die Sozialdemokraten. Mit dem Flüchtlingsthema zieht die AfD von fast allen Parteien Stimmen ab. Mit ihrem wenig fähigen Personal hat die Partei zwar vor dem absehbaren Wahlerfolg ebenso viel Angst wie die etablierten Parteien vor ihr. Sie wirft aber alle noch vor einem Jahr geltenden Koalitionsoptionen über den Haufen.

Profilieren will sich die SPD auch gegen den bisherigen Koalitionspartner CDU, den Spitzenkandidatin Katrin Budde eigentlich in die Opposition schicken möchte. Solche Profilierung ist für jeden Juniorpartner einer Koalition schwierig. Umso mehr, wenn andere in der Partei, wie der langjährige und jetzt aus der Reihe ausscheidende Finanzminister Jens Bullerjahn, gegen die Große Koalition weniger einzuwenden haben.

Eine 62-seitige Broschüre unter dem Titel „Gesagt-Getan-Geplant“ listet die Umsetzung der Komponenten auf, die die SPD 2011 in den Koalitionsvertrag eingebracht hatte: Ganztagskinderbetreuung, Gemeinschaftsschule, Vergabegesetz mit tariflicher und sozialer Bindung, Finanzpolitik ohne Neuverschuldung, kommunale Finanzausstattung und effizientere Förderung von Klein- und Mittelständlern.

Doch reicht das, um sich angesichts der „Sozialdemokratisierung der CDU“, so Budde, als originäre Kraft zu präsentieren? „Frau Budde müsste außerdem erklären, was nach 25 Jahren Budde im Landtag plötzlich mit ihr anders werden sollte“, ätzt der Grüne Sebastian Striegel.

Alles dreht sich um die Asylpolitik

Am klarsten kann sich die SPD noch beim Asylthema von der Union abgrenzen, obschon Fraktionschefin Budde die Flüchtlingspolitik nicht zum primären Wahlkampfthema machen wollte. Sie ist es trotzdem geworden, auch wenn die meisten Ankömmlinge nicht in Sachsen-Anhalt bleiben wollen und die Unterkünfte halb leer sind. Obergrenze, nationale Alleingänge und Dumpinglöhne für Flüchtlinge, von Ministerpräsident Reiner Haseloff in die Welt gesetzt, bieten eine Zielscheibe.

Selbst die SPD-Wahlkämpfer murren: Der Partei fehle ein Plan

Mit der CDU verbindet die Sozis wiederum die Notwendigkeit, sich beim Thema Nummer eins zumindest partiell von der Bundespolitik absetzen zu müssen. Die Spitzenkandidatin sieht das nicht so. Aber am Wahlkampfstand in Bernburg vermisst ein Genosse schon die klare Linie in der Flüchtlingsfrage. Er meint, der ostdeutsche Olsenbanden-Witz treffe auf Kanzlerin Merkel ebenso wie auf Sigmar Gabriel von der eigenen Partei zu: Was ist der Unterschied zwischen Merkel und Egon Olsen? Egon hatte immer einen Plan.

Schließlich kommt noch eine taktische Erfordernis hinzu. So sehr der linke SPD-Flügel auch mit einem rot-rot-grünen Bündnis liebäugelt, so wenig darf dies laut verkündet werden oder gar in einen Lagerwahlkampf münden. Das tut auch Wulf Gallert von der Linken nicht, der im dritten Anlauf endlich Ministerpräsident werden möchte. Denn nur bei einem Drittel der befragten Bürger wäre ein solches Dreierbündnis nach Thüringer Vorbild populär.

Rot-rot: eine Illusion

Eine Fortsetzung der bisherigen CDU-SPD-Koalition hat dagegen jüngst wieder an Zuspruch gewonnen. Katrin Budde will auch kein Erfurter Modell gelten lassen. „Wenn schon, dann eher das Brandenburger Modell!“ Also Rot-Rot, aber unter SPD-Führung.

Eine Illusion angesichts der jüngsten Wahlumfragen, auch wenn sich Budde und Gallert mit Küsschen begrüßen. Die SPD liegt klar hinter den Linken. Eine rot-rot-grüne Mehrheit erreicht derzeit maximal 42 Prozent – zu wenig. Dazu kommt das Überrunden selbst durch die AfD. Es ist ein schwerer psychologischer Rucksack für die alte Tante SPD. Als Katrin Budde Anfang Januar von einer „Schicksalswahl“ für Sachsen-Anhalt sprach, meinte sie eigentlich den drohenden Erfolg der Rechtspopulisten und nicht die eigene Partei.

Die hat im Bindestrichland schon bessere Zeiten erlebt. Die These, dass die SPD in Ostdeutschland dort stark ist, wo sie dank populären Spitzenpersonals unmittelbar nach der Wende stark begann, trifft auf Sachsen-Anhalt mit Verzögerung zu. Im Jahr 1994 und 1998 erreichte sie Spitzenergebnisse um 35 Prozent. Reinhard Höppner, 1990 Vizepräsident der ersten und letzten frei gewählten Volkskammer der DDR, konnte zunächst mit den Grünen und später allein eine jeweils von der PDS tolerierte Minderheitsregierung bilden, das sprichwörtliche Magdeburger Modell.

Deutlicher Abstand zu Hasseloff

Allein an das Spitzenpersonal lassen sich Erklärungen für das Auf und Ab der SPD aber nicht koppeln. Auch die 50-jährige Katrin Budde wirkt eloquent und themensicher, sogar um einiges temperamentvoller und forscher als der mittlerweile verstorbene Höppner, wenn auch vielleicht nicht so integrationsfähig. Bei Umfragen liegt Budde in der Benotung aber mit 18 bis 25 Punkten deutlich hinter dem nicht sonderlich markanten Regierungschef Reiner Haseloff zurück.

Und vom jeweils wehenden Wind ist die SPD hier besonders heftig erfasst. Im Jahr 1998 wirkte sich der Bonus des neuen Kanzlers Gerhard Schröder mit einem Rekordergebnis aus. 2002 kam nach Höppners unbeliebtem Tolerierungsmodell wie auch mit Schröders „Neuer Mitte“ und der sich abzeichnenden Agenda 2010 der Einbruch.

Der Zeitenwind weht momentan Linken, SPD und Grünen entgegen, und wenn von Wechselstimmung gesprochen werden kann, dann Richtung Rechtsaußen. „In Angststimmung wird konservativ gewählt“, räumt Katrin Budde ein. Die Spitzenkandidatin übt sich deshalb in Zweckoptimismus, in den sich auch die Standbetreuer in Bernburg flüchten: „Alles volatil.“ Wenn Rot-Rot-Grün wider Erwarten doch möglich wird, würde Budde sofort einen Mitgliederentscheid starten.

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