Handelsbedingungen im Gazastreifen: Eine Insel als Verbindung zur Welt

Die humanitäre Lage in Gaza verschärft sich, neue Handelswege sind nötig. Die Insel oder ein Hafen in Ägypten könnte Besserung bringen.

Eine Frau und ein Junge spannen einen Esel vor einen Wagen.

Yihan Abu Muhsen und ihr Sohn Kareem auf dem Weg zur Arbeit. Foto: reuters

JERUSALEM taz | In einem Punkt scheinen sich die palästinensische Führung der Hamas im Gazastreifen und israelische Vertreter von Armee und Regierung einig zu sein. Sollte sich die Lebenssituation der Palästinenser weiter verschärfen und die Blockade des Gazastreifens andauern, kann es nicht friedlich bleiben. „Es wird eine Explosion geben“, sagt Muschir al-Masri, ein Sprecher der Islamisten.

Und Israels Chef des militärischen Geheimdienstes, Herzl Halevi, gibt ihm recht. „Die humanitäre Lage im Gazastreifen verschärft sich“, warnte er vor dem parlamentarischen Sicherheitsausschuss in der Knesset. Wenn es zu einer Explosion komme, werde sie sich „auf Israel entladen“. Auch Israels Verteidigungsminister Mosche Jaalon räumte ein, „dass ein weiterer Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen notwendig ist“.

Militärs und mehrere Regierungspolitiker fassen unterdessen auch friedliche Lösungsmodelle ins Auge. Eine künstliche Insel vor der Küste Gazas könnte eine Verbindung des palästinensischen Küstenstreifens zur Welt sein, findet Verkehrsminister Israel Katz.

Ein Ende der Belagerung des Gazastreifens war erklärtes Ziel der Hamas während des Krieges im Sommer vor zwei Jahren. Israel hält die Grenzen seit der Machtergreifung der Islamisten im Sommer 2007 für den Export nahezu komplett gesperrt und ließ über Jahre nur lebensnotwendige Waren passieren. Problematisch ist bis heute die Einfuhr von Baumaterialien. Israels Sorge ist, dass die Hamas Beton und Eisen für den Bau von Tunneln nutzt, durch die sich Terroristen den Weg nach Israel bahnen.

Die Tunnel waren Grund für die Dauer und Heftigkeit des Krieges im Sommer 2014. Der militärische Analyst Alex Fishman meinte in Yediot Achronot, dass die „Bevölkerung Gazas“ über „Zeitpunkt und Intensität“ des nächsten Krieges entscheidet. Die Verzweiflung über die wirtschaftliche Not und Frustration über die eigene Führung treibe immer mehr Menschen in den Freitod. „Mehrere Umfragen zeigen, das 50 Prozent der jungen Palästinenser Gaza für immer verlassen wollen.“ Anstelle der Tunnel soll deshalb ein neuer Hafen entstehen.

Türkei als Vermittler?
Verkehrsminister Israel Katz

„Jede zivile Verbindung zwischen Israel und Gaza vermeiden“

Mahmud as-Sahar, führendes Hamas-Mitglied und Mitbegründer der Bewegung, erinnerte jüngst daran, dass der Bau eines Hafens für Gaza „längst entschieden ist“. Die Palästinenser hätten mit der 1993 unterzeichneten Friedensvereinbarung in „Oslo ihren Preis dafür bezahlt“.

Eine Vermittlerrolle beim Bau eines Hafens könne, so hofft as-Sahar, die Türkei spielen. Die Regierung in Ankara macht die Öffnung des Gazastreifens über den Seeweg zur Bedingung für eine Versöhnung mit Israel. Beide Staaten ringen seit der Affäre des türkischen Passagierschiffs „Mavi Marmara“ vor fünf Jahren um eine Annäherung. Damals waren propalästinensische Aktivisten erschossen worden, als israelische Marinesoldaten das Schiff enterten.

Israel will indes auf keinen Fall die Kontrolle über Warenlieferungen in den Gazastreifen aufgeben. Laut Bericht der liberalen Ha’aretz liegen derzeit fünf Vorschläge auf dem Tisch, darunter ein Hafen in der ägyptischen Stadt al-Arisch oder im israelischen Aschdod. Hamas-Funktionär as-Sahar räumt ein, „keinen Widerspruch gegen neutrale Kontrollen“ zu haben, beharrt aber darauf, dass der Hafen „im Gazastreifen liegen muss“.

In Israel scheint die Idee einer künstlichen Insel vor der Küste Gazas breite Zustimmung zu finden. Die Insel würde durch eine Brücke mit der Küste verbunden werden. Ziel dabei sei, laut Verkehrsminister Katz, „jede zivile Verbindung zwischen Israel und Gaza zu vermeiden“ und die Grenze „so wie zu Ägypten“ zu schließen. Die Brücke würde für die Menschen in Gaza „eine Verbindung zur Welt“ herstellen. Allerdings würde sich Israel die Möglichkeit vorbehalten, „bei Störung der Sicherheit“ die Brücke umgehend wieder zu sperren.

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