Kommentar Terror in der Türkei: Erdoğan eskaliert die Gewalt

Recep Tayyip Erdoğan wurde ursprünglich gewählt, weil er Stabilität versprach. Das Gegenteil ist nun der Fall. Die Lage in der Türkei ist hoffnungslos.

Ein junger Mann steht vor einem Stapel brennender Autoreifen

Brennende Barrikaden in Istanbul Foto: ap

Vier verheerende Selbstmordattentate allein in diesem Jahr, täglich Tote im Kampf zwischen Militär und PKK im Osten des Landes und dazu noch die Leichen der ertrunkenen Flüchtlinge an der Westküste der Türkei – die meisten Türkinnen und Türken wissen gar nicht mehr, wie viel Antidepressiva sie noch schlucken sollen, um den täglichen Horror in den Griff zu bekommen. Fast 50 Prozent wählten im vergangenen November Recep Tayyip Erdoğanwieder, weil er ihnen Stabilität und Sicherheit versprochen hatte.

Tatsächlich geht es aber im Land in einem rasanten Tempo bergab. Politikveteranen sagen, es sei schlimmer als vor und nach dem Militärputsch von 1980. Noch nie in der fast einhundertjährigen Geschichte der türkischen Republik war das Land in einer solchen Krise wie derzeit.

Erdoğanund seine Regierung sind – allen ihren martialischen Sprüchen von der „eisernen Faust“ und der „gnadenlosen Jagd“ auf die „allgegenwärtigen Terroristen“ zum Trotz – weit entfernt davon, die Kontrolle über das Geschehen zu haben. Entsprechend panisch reagieren sie.

Die leiseste Kritik wird drakonisch bestraft. Statt sich um die Ursachen des Niedergangs zu kümmern, werden die Überbringer schlechter Nachrichten in den Knast gesteckt. Die Letzte, die diese Erfahrung machen musste, war ausgerechnet die deutsche Regierung, der ErdoğansMannen noch einen Tag vor dem Terroranschlag am Samstag gezielte Panikmache vorwarfen, weil sie die Deutschen in der Türkei und damit auch die türkische Bevölkerung genau vor dem Anschlag gewarnt hatten, der dann am Samstag verübt wurde.

Hausgemachter Terror

Ob die türkischen Bürger ihrer Regierung noch vertrauen, wird lieber gar nicht gemessen. Doch in Gesprächen hat es den Anschein, dass auch die „Fans von Tayyip“ langsam nervös werden. Denn alle Indikatoren sind negativ: Die Arbeitslosigkeit steigt, Investitionen gehen zurück, der Tourismus ist eingebrochen.

Dabei ist der Terror hausgemacht. Zum einen fällt die Allianz mit islamistischen Dschihadisten in Syrien auf die Türkei zurück, zum anderen führt der „Krieg gegen die PKK“ mehr und mehr zu syrischen Verhältnissen. Demokraten hätten angesichts dieser Bilanz längst einen völligen Politikwechsel eingeleitet, doch Autokraten wie Erdoğaneskalieren dagegen die Gewalt immer weiter. Das macht die Lage so hoffnungslos.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.