Quecksilbervergiftungen in Indien: Unilever entschädigt nach 15 Jahren

Seit Jahren kämpfen Arbeiter einer ehemaligen Unilever-Fabrik, weil sie mit Quecksilber vergiftet wurden. Nun soll es eine Entschädigung geben.

Ein Fabriktor, daneben ein Schild von Unilever

Seit 15 Jahren geschlossen: Tor der Unilever-Fabrik in Kodaikanal. Foto: Lalon Sander

BERLIN taz | Es ist ein Erfolg nach Jahren der Ungewissheit und des Kampfes: Die ehemaligen Arbeiter einer Thermometerfabrik des Unilever-Konzerns in Indien erhalten eine Entschädigung, weil sie dort nicht ausreichend vor Quecksilber geschützt und so mit dem Schwermetall vergiftet wurden. Viele haben langfristige Leiden davongetragen. Am Mittwoch stimmte der Konzern einem Vergleich mit 591 ehemaligen Arbeitern und Hinterbliebenen zu.

Der Vergleich sieht vor, dass Unilever den Arbeitern eine ungenannte Geldsumme als Entschädigung zahlt. Laut Unilever geschehe dies aus „humanitären Abwägungen“, der Konzern leugnete bislang immer, dass Arbeiter in der Fabrik von Quecksilber vergiftet wurden. Im Gegenzug wollen die ehemaligen Arbeiter ihre Klage vor dem Hohen Gericht von Madras zurückziehen. „Wir sind mit dem Vergleich zufrieden und haben keine weiteren Beschwerden gegen Unilever“, sagte deren Vertreter Mahindra Babu.

Seit 1986 betrieb Unilever die Fabrik im südindischen Kodaikanal und produzierte in dieser Zeit 165 Millionen Quecksilberthermometer. 2001 wurde sie von der Regierung geschlossen, weil mehrere Tonnen quecksilberverseuchten Mülls auf einem nahegelegenen Schrottplatz entdeckt wurden. Unilever musste daraufhin 300 Tonnen Müll und Boden zur Entsorgung in die USA exportieren.

Seitdem behauptet der Konzern, der in Deutschland Marken wie Rama, Langnese und Knorr vertreibt, dass die Umwelt nur teilweise und die Arbeiter gar nicht vergiftet wurden. Ehemalige Arbeiter und Arbeiterinnen leiden allerdings unter anderem an Nierenbeschwerden, Gedächtnis- und Gewichtsverlust und Fehlgeburten – Symptome, die auf eine Quecksilbervergiftung hinweisen. 45 sind inzwischen gestorben, viele von ihnen erreichten nicht einmal das 30. Lebensjahr. 2006 verklagten Ex-Arbeiter und Hinterbliebene Unilever deshalb auf Entschädigung.

Der Skandal verschwand immer wieder aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Im Sommer 2015 wurde er aber weltweit bekannt, als die Rapperin Sofia Ashraf ihm ein eigenes Video widmete.

Nach dem Vergleich wollen sich Aktivisten nun für die Sanierung des Gebietes einsetzen. Nach eigenen Berechnungen von Unilever sind mehr als zwei Tonnen Quecksilber in die Umwelt entwichen, im Boden des Fabrikgeländes sollen noch immer 360 Kilo des Stoffes enthalten sein. Aktuellen Studien zufolge weisen Flechten im Wald unterhalb der Fabrik noch hohe Quecksilberwerte auf, laut Umweltschützern ein Indiz, dass die Umgebung verseucht ist.

Für die Sanierung will Unilever einen Richtwert von 20 Milligramm Quecksilber pro Kilo Erde anwenden, der in Deutschland für Wohngebiete gilt – Umweltschützer argumentieren aber, dass die sensible Natur in der Umgebung einen viel strengeren Standard erfordere. „Wir werden in den kommenden Monaten eine weltweite Kampagne auf die Beine Stellen, um sicherzustellen, dass Unilever sich sachgemäß darum kümmert“, sagt Nityanand Jayaraman, der Journalist, der 2001 die illegale Verkippung aufdeckte.

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