Rechtspopulisten in Europa: Die vom Nichtwählersofa

Finnland, Frankreich, Österreich. In den drei Ländern machen rechte Parteien Druck. Mal mehr, mal weniger erfolgreich.

Ein gelber Pfeil am Boden, der nach rechts weist

Viel Rechtsverkehr gerade in Europa Foto: Photocase / .marqs

STOCKHOLM taz | Was ist los mit den Wahren Finnen? Es ist ja nicht lange her, da erwies sich die rechtspopulistische Partei als Schwergewicht in der finnischen Politik: Bei den Parlamentswahlen im April 2015 hatte sie als zweitstärkste Kraft 18 Prozent geholt. Jetzt aber liegt sie nach Umfragen des Demoskopieinstituts Taloustutkimus nur noch bei neun Prozent der Wählergunst, abgesackt auf das tiefste Niveau seit 2010.

Dabei glaubte die Partei im vergangenen Jahr, ihr Ziel erreicht zu haben. Sie war von der Wahlsiegerin, dem rechtsliberalen Zentrum, und der konservativen Sammlungspartei in die Koalition geholt worden. Mit dem prestigeträchtigen Posten des Außenministers für den Wahren-Finnen-Chef Timo Soini bestimmt sie seither die Regierungspolitik mit. Ein wichtiger Grund für ihren Wahlerfolg hatte in dem Versprechen gelegen, eine Alternative zu den etablierten Parteien zu sein. Einmal in der Regierung, konnte sie das jedoch nicht einlösen.

Einen Strich durch die Rechnung haben Soini & Co unter anderem die Flüchtlinge gemacht: Die Wahren Finnen hatten angekündigt, sie würden die Zahl Asylsuchender im Land senken. Aber dann kamen 2015 binnen wenigen Monaten zehnmal so viel ins Land wie im gesamten Vorjahr. Dagegen hatten weder die Wahren Finnen noch ihre Koalitionspartner ein wirksames Rezept.

Der Widerspruch zwischen Worten und Taten ist es, der die Anhängerschaft der Rechtspopulisten in Finnland zutiefst enttäuscht, meint der Grünen-Vorsitzende Ville Niinistö: In der Migrationspolitik habe die Partei ohnehin Vorstellungen gehabt, die weder mit nationalem noch mit internationalem Recht vereinbar sind.

Noch wichtiger aber sei, dass „viele die Partei gewählt haben, weil sie versprach, sich der Sache der sozial Benachteiligten anzunehmen“, sagt Niinistö, „und die fühlen sich mittlerweile „regelrecht getäuscht“. Auch die Wahren Finnen konnten die katastrophalen finnischen Staatsfinanzen nicht einfach wegzaubern. Weil die Partei sich auf eine Koalition mit Konservativen und Rechtsliberalen eingelassen hatte, musste sie auch deren Sparkurs mittragen: Dazu gehören die Streichungen im Sozialsektor, die Schließung von Schulen, Kindergärten und Ambulanzen – während zugleich die Steuern für Unternehmen gesenkt wurden.

Dass man damit WählerInnen, die die Wahren Finnen den Sozialdemokraten und Linken weggefischt hatten, umgehend wieder an diese verlor, gesteht auch Soini zu: „Der linke Haken hat uns empfindlich getroffen.“ Pragmatismus kennzeichnet die finnische Politik. Breite Koalitionen sind beliebt. Im Prinzip gelten alle Parlamentsparteien als miteinander koalitionsfähig – auch die der äußeren Ränder.

2011, als erstmals fast ein Fünftel der WählerInnen für die Wahren Finnen gestimmt hatten, entschied sich Soini für die Oppositionsrolle. Vier Jahre später war es unmöglich, diesen bequemen Ausweg noch einmal zu wählen, ohne seine AnhängerInnen zu verprellen. Und habe man sich erst einmal auf eine Regierungsbeteiligung eingelassen, argumentiert Soini, „dürfen wir nicht gleich wieder fahnenflüchtig werden“. Dabei gibt es genug Stimmen in der Partei, die genau das schon seit Herbst fordern.

Die Mehrzahl derer, die den Wahren Finnen nun den Rücken gekehrt haben, haben wohl wieder auf dem Nichtwählersofa Platz genommen, sagt Ville Pitkänen vom parlamentarischen Forschungsinstitut der Universität Turku: Die Frage sei nun, ob sie dort wieder abgeholt werden könnten. Und von wem. REINHARD WOLFF

Eine tief gespaltene Gesellschaft

WIEN taz | Sämtliche Kirchenglocken im Wiener Außenbezirk Liesing begannen zu läuten, als die FPÖ Mitte März auf dem Liesinger Platz die Stimmung gegen Flüchtlinge zu schüren versuchte. Heinz-Christian Strache, der Chef der Freiheitlichen Partei Österreichs, ist an diesem Tag persönlich gekommen: Er redet zu einer gut tausendköpfigen Menge, die dem Aufruf zu einem Protest gegen ein Flüchtlingsheim gefolgt ist. Auf der anderen Seite stehen etwa halb so viele linke FPÖ-Gegner, laut Schätzungen der Polizei. Fünf Hundertschaften trennen die Gegendemonstranten von jenen, die sich als „besorgte Bürger“ verstehen. Zwischenfälle können dadurch vermieden werden.

Die Aufmärsche auf engstem Gelände zeigen, wie tief die Gesellschaft durch die Flüchtlingsfrage gespalten ist. Linke Anarchos finden sich auf einer Seite mit der katholischen Kirche. Ältere Damen, deren größte Sorge es ist, dass sie ihren Hund seit Eröffnung des Flüchtlingsheims beim Gassigehen an die Leine legen müssen, stehen neben martialisch auftretenden Skinheads. Die FPÖ führt mit ungefähr 30 Prozent seit Monaten sämtliche Umfragen auf Bundesebene an. Im Burgenland (mit den Sozialdemokraten) und in Oberösterreich (mit der Österreichischen Volkspartei) sitzen die Freiheitlichen seit vergangenem Jahr in der Landesregierung.

„Einbinden statt ausgrenzen“ heißt die Devise auf Landesebene. Das war auch das Rezept, das Wolfgang Schüssel von der ÖVP im Jahr 2000 ins Bundeskanzleramt brachte. Er rechtfertigte seine Koalition mit der rechten Truppe damit, dass man sie nur so entzaubern könne. Das Experiment schlug fehl: Nach einer Spaltung unter Jörg Haider und dem Absturz auf 5 Prozent sind die Freiheitlichen heute stärker als jemals zuvor. Die Korruptionsskandale aus der Zeit der Regierungsbeteiligung scheinen die Wutbürger ebenso wenig zu stören wie rechtsextreme Auszucker von FPÖ-Funktionären.

„Es geht schon lang nicht mehr um die FPÖ, sondern um das ganze Land“, sagt Niki Kunrath von den Wiener Grünen. Seiner Meinung nach fehlt es nicht an richtigen Antworten, nur wolle sie niemand hören: „Es wird immer schwieriger, Humanität und Menschenrechte als Werte darzustellen.“

Bei der SPÖ werde viel darüber nachgedacht, wie man dem Höhenflug der Rechten begegnen kann, sagt eine Abgeordnete: „Aber bisher mit wenig Erfolg.“ Der sozialdemokratische Bürgermeister Michael Häupl habe im Herbst nicht nur menschlich, sondern auch wahltaktisch richtig die Willkommenskultur verteidigt und einen von vielen Medien herbeigeschriebenen Triumph der FPÖ abgewehrt, meint der Grüne Kunrath: „Zu diesem Zeitpunkt war es der richtige Kurs.“ Inzwischen hat die SPÖ aber einen Kurswechsel vollzogen.

Leichter tut man sich auf lokaler Ebene. Wo die Bürgermeister die Aufnahme von Flüchtlingen unterstützen, da funktioniert das Zusammenleben. „Das beste Mittel gegen Fremdenangst ist Kennenlernen“, sagte jüngst eine Aktivistin im Radio. Manchmal sind es die Gemeindechefs selbst, die die Initiative ergreifen, meistens aber werden sie von Gruppen der Zivilgesellschaft getrieben.

Und so war es auch die Zivilgesellschaft, angeführt vom Poeten André Heller, die Ende Januar eine Konferenz in Wien einberief, wo Bürgermeister vom Libanon über Griechenland bis Niederösterreich und Bayern ihre Erfahrungen austauschen konnten. Der Tenor war nicht: „Wir sind überfordert“, sondern, „Wir schaffen das, aber wir brauchen mehr Unterstützung“. RALF LEONHARD

Prinzp Hoffnung

PARIS taz | Es gibt kein politisches oder pädagogisches Erfolgsrezept gegen den Rechtspopulismus, sonst wüsste man das in Frankreich schon. Die einzige Lösung bestünde wohl darin, all die sozioökonomischen und -kulturellen Probleme zu beheben, die die Ängste und Ressentiments erklären, auf denen in Frankreich der Front National gedeiht.

Das ist leichter gesagt als getan. Politisch wurde fast alles ohne Erfolg versucht: den FN in der Öffentlichkeit zu isolieren, gerichtlich gegen die rassistische Propaganda vorzugehen oder aber seine Ideen zu kopieren, um die entlaufenen Wähler zurückzugewinnen. Da sich der FN explizit außerhalb des politischen Establishments situiert, hat die Ausgrenzung aus dem politisch Korrekten sogar eine kontraproduktive Wirkung auf seine Sympathisanten.

Noch zu Beginn der achtziger Jahre hatte kaum jemand gedacht, dass eine aus Altfaschisten, rechtsradikalen Royalisten, katholischen Integristen und Revanchisten der Kolonialepoche zusammengewürfelte Bewegung je einen Massenzulauf haben könnte. Das war der erste Irrtum, der sich in der Folge als verhängnisvoll erweisen sollte.

Die erste Lehre, die man in Frankreich heute ziehen muss: Man hat diese extreme Rechte unterschätzt. Sowohl links als auch in der bürgerlichen Rechten meinte man, mit dem den französischen Idealen so sehr zuwiderlaufenden Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhass könne der FN nie und nimmer eine Chance haben. Die Parteien und die Medien vertrauten darauf, dass sich das Familienunternehmen des Parteigründers Jean-Marie Le Pen mit seinem Extremismus selbst zugrunde richten würde.

Die Rechtsextremisten als Faschisten anzuprangern hat diesen kaum je geschadet. In Frankreich hat es höchstens der bürgerlichen Rechten etwas erschwert, offen Allianzen mit dem FN einzugehen. Dafür wurden die bürgerlichen Parteien und ihre Wähler mit der Zeit von seinen Ideen angesteckt. Obwohl der FN weiterhin als „unberührbar“ und nicht koalitionsfähig gilt, erklären sich mittlerweile mehr als ein Drittel der Leute mit seinen „Ideen“ (was auch immer sie darunter verstehen) einverstanden!

Doch es ist nie zu spät, auch in Frankreich den Vormarsch des Rechtspopulismus zu stoppen. Dazu braucht es nicht nur eine Verbesserung der realen Lebensbedingungen der Menschen, die heute oft aus Verzweiflung ihr Heil beim FN suchen. Vor allem muss es der Linken gelingen, diesen Leuten wieder positive Ideale und Gründe zur Hoffnung anzubieten – das war früher der Fall gewesen, bevor die französischen Linksparteien ihre ehrgeizigen Ziele einer radikalen Gesellschaftsänderung aufgaben.

Heute hat man den Eindruck, dass die linken Reformer, die an der Regierungsmacht sind, vor lauter Pragmatismus den Rechten den Anspruch, Hoffnungsträger der Zukurzgekommenen zu sein, kampflos überlassen. Der Kampf gegen extrem rechts beginnt mit dem Prinzip Hoffnung. RUDOLF BALMER

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.