Ein manipulatives Bürschchen

Beziehungskomödie „Lolo – Drei ist einer zu viel“ von und mit Julie Delpy bietet perfekt aufeinander abgestimmte Darsteller

„Maman, das Gras liegt nicht mehr in ‚Easy Rider‘!“ – „Sieh in ‚Die Vögel‘ nach, mein Schatz!“ Und damit schiebt Violette (Julie Delpy) ihren 19-jährigen Sohn Lolo (Vincent Lacoste) schnell zum neuen Drogenversteck in der DVD-Hülle. Denn die latent sexuell frustrierte Pariser Karrierefrau hat das erste Mal ihren Provinz-Liebhaber Jean-René (Dany Boom) zu Gast, und will eigentlich mit ihm allein sein.

Was dem verzogenen Sprössling und Möchtegern-Künstler überhaupt nicht passt, der sich nach einer gescheiterten Beziehung gerade wieder im Hotel Mama einquartieren wollte. Schließlich macht Violette immer noch die besten weichen Eier und schneidet ihrem Nachwuchs dazu das Brot in mundgerechte Häppchen. Lolo tut also alles Menschenmögliche, um die neue Liebe seiner Mutter zu torpedieren.

Auf Französisch heißt Ödipus „Œdipe“, ansonsten ähneln sich die Geschichten, auch wenn kein (direkter) Vatermord, sondern nur Liebhaberterror de luxe geboten wird. Julie Delpys sechster Film als Regisseurin ist eine Komödie vom alten Schlag. Sie bietet: Aus der Klischeekiste gezeichnete Figuren (die neurotische Mittvierzigerin, der freche Filius, der gutherzige Provinzstecher, die scharfzüngige beste Freundin), dazu deftige Dialoge, und einen bitteren Plot.

Der einen in seiner konsequenten Abwärtsspirale ein bisschen für das allzu Klamaukige entschädigt: Muss man anfangs noch über die selbstverständlichen Cunnilingusgags (die hier als eine Art Gegenentwurf zu den aus Männerkomödien à la Judd Apatow bekannten Pimmelwitzen verstanden werden können) kichern, wird die heulende Violette, die so gar nicht verstehen will, wieso bei ihr immer alles schiefläuft, zur Parodie einer Parodie einer Parodie – und fällt einem damit auf die Nerven. Das ewige „Bin zu fett, bin zu alt“-Weibergeratsche hinterlässt trotz des dicken Auftragens, das „Ironie“ schreit, einen unangenehmen Geschmack im Mund beziehungsweise zwischen den Beinen, um mit den Protagonistinnen zu sprechen.

Komischerweise ist ­Delpys eigene Figur – das Drehbuch schrieb die langjährige Richard-­Linklater-Darstellerin, Drehbuch­autorin und Independent-Regisseurin gemeinsam mit Eugénie Grandval – die am wenigsten überzeugende: Violette nimmt man das schlechte Gewissen als alleinerziehende Karrieristin nicht wirklich ab, und ihre allzu blinde Affenliebe gegenüber dem manipulativen Bürschchen Lolo auch nicht.

Dennoch funktioniert der Film als Nummernrevue teilweise sehr schön – wenn der aus den „Sch’tis“ bekannte Boon etwa auf einer VIP-Modeparty, auf der sich deren Creative Director Violette auf gar keinen Fall blamieren darf, stockbetrunken Karl Lagerfeld zu Selfies für seine Tochter überreden will, bis man den irritierten König im Wegschwenken der Kamera trocken nuscheln hört: „Sie strapazieren meine Nerven …“

Auch die vielen Spitzen über die Arroganz der Pariser gegenüber sämtlichen „Bauern“ aus allen anderen Orten der Welt, die sich – wie der aus Biarritz stammende Jean-René – nicht entblöden, in einen hässlichen Wohnturm zu ziehen, weil sie von dort aus ein Spitzchen des Eiffelturms sehen können. Die vier perfekt aufeinander abgestimmten DarstellerInnen Delpy, Boon, Lacoste und – als sarkastisch-bodenständige beste Freundin – Karin Viard spielen das alles herzhaft und absolut timingfest an der feinen französischen Art vorbei. Das muss man ja auch erst mal bringen, mit dieser ganzen „haute culture“ im Rücken.

Jenni Zylka

„Lolo – Drei ist einer zu viel“. Regie: Julie Delpy. Mit Julie ­Delpy, Vincent Lacoste u. a. Frankreich 2015, 100 Min.