Brettspiele Als deutsches Exportprodukt sind die „German Games“ ungefähr so renommiert wie Autos. Mit „Arler Erde“ gibt es jetzt sogar eins, das in Ostfriesland spielt
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: Im Spielfieber

Wenn man mal spielt, gar nicht so einfach: „Mensch ärgere dich nicht“ Foto: imago

von Gernot Knödler

Die Siedler haben den Boden bereitet – genauer gesagt, die „Siedler von Catan“. Das 1995 erschienene Spiel des Autoren Klaus Teuber löste nach Einschätzung von Experten den Spiele-Boom der vergangenen 20 Jahre aus. Geadelt mit der Auszeichnung „Spiel des Jahres“ beruht es auf einer Mischung von überlegtem Handeln und etwas Glück, die typisch ist für das, was als „German Game“ auch international für Furore gesorgt hat.

Die Amerikaner hätten damals von einer „Euro-Invasion“ gesprochen, sagt Shaun Graham, der Gründer des Spielwerks Hamburg, das Spieler und Erfinder von Spielen aus dem norddeutschen Raum zusammenbringt. In der Folge kamen Spiele auf den Markt, die wie die „Siedler von Catan“ weniger auf Konflikt und die Elimination des Gegners setzen, sondern alle Teilnehmer bis zum Schluss im Spiel halten, wobei lange offen bleibt, wer gewinnt. „Das hat den Markt damals begeistert“, sagt Graham. Heute sei er so groß und aktiv wie nie zuvor.

Tatsächlich gaben die Deutschen nach Auskunft des Verbandes Spieleverlage im vergangenen Jahr mehr als 400 Millionen Euro für Brettspiele aus. Nach einigem Auf und Ab gab es 2015 einen Zuwachs von zehn Prozent bei „Spielen und Puzzles“, darunter 18 Prozent bei den „klassischen Familienspielen“.

Mitverantwortlich dafür, dass sich in den nordeuropäischen Ländern und insbesondere in Deutschland die Brettspielkultur so ausgeprägt hat, ist die Jury „Spiel des Jahres“, ein selbsternanntes Gremium von Journalisten, die Spiele rezensieren. Der Preis wurde 1979 zum ersten Mal vergeben für das Spiel „Hase und Igel“ des Briten David Parlett. Er wurde sofort angenommen, denn er sorgt für Orientierung im großen Kreis der jährlichen Neuerscheinungen.

Die Auszeichnung sei aber nur „Mittel zum Zweck“ betont die Jury. Sie solle Impulse für die Entwicklung wertvoller, gut gestalteter Spiele setzen. „Die Spiele, die den Titel ‚Spiel des Jahres‘ tragen, sollen möglichst viele Menschen vom Wert des Kultur- und Freizeitmediums Spiel überzeugen“, heißt es in der Selbstdarstellung des Vereins. Der Preis ist inzwischen ergänzt worden um das „Kinderspiel des Jahres“ und das „Kennerspiel des Jahres“ – eben weil der Hauptpreis ja ein breites Publikum ansprechen soll.

„Für den Mainstream-Markt dürfen die Spiele nicht zu strategisch sein“, sagt Heinrich Hüntelmann, der Presse­chef des Ravensburger-Verlages. Für die meisten Spieler dürften die Runden nicht länger als 30 bis 45 Minuten dauern und die Spielregeln müssten gut getestet und grafisch aufbereitet sein. Für die leidenschaftlichen und anspruchsvollen Spieler hat Ravensburger extra eine Untermarke gegründet.

Mit den Spielen wurden auch ihre Autoren bekannt, deren Namen auf den Spielen verzeichnet sind. Autoren wie Klaus Teuber, der Siedler erfunden hat, der unglaublich kreative Rainer Knizia oder der vielfach ausgezeichnete Wolfgang Krämer sind Stars in der Szene und müssen auf Veranstaltungen wie der Spiele-Messe in Essen Autogrammkarten signieren wie Bestsellerautoren.

Die meisten von ihnen sind Männer und betreiben das Spiele-Entwickeln als Hobby. „Sie können an zwei Händen abzählen, wer davon leben kann“, sagt Hüntelmann. Es seien Leute mit einem Hang zum Tüfteln oder zum Mathematischen, denn wenn eine Regel verändert wird, wirkt sich das oft auf den ganzen Rest des Spiels aus. Rainer Knizia etwa ist Doktor der Mathematik und hat als Manager gearbeitet. Dafür wird ihm vorgeworfen, seine Spiele seien gelegentlich zu trocken. Es gebe sogar Leute, die Simulationen für ihre Spiele programmierten, sagt Hüntelmann – insbesondere dann, wenn die Spiele elektronische Komponenten enthielten.

Dass Computerspiele die Brettspiele verdrängten kann Hüntelmann nicht feststellen. Die Spiele, die am Tisch mit der Familie und Freunden gespielt werden, seien eben etwas grundsätzlich anderes. Shaun Graham vom Spielwerk glaubt, dass sich die Computerspiele und Brettspiele gegenseitig befruchten. Eine Lücke gebe es lediglich bei den größeren Kindern und Jugendlichen, sagt Hermann Hutter, der Vorsitzende des Verbandes Spieleverlage. „Im Alter von acht Jahren verliert man die an die elektronischen Geräte“, sagt der Chef des Spieleverlages Huch! & friends.

Zu den regelmäßigen Spieleabenden des Spielwerks kommen im Schnitt 20 bis 30 Autoren und Spielbegeisterte von der Krankenschwester über den Studenten bis zum Spieleautor im Rentenalter. Dass so viele Zielgruppen vertreten seien, sei ideal fürs Feedback, sagt Graham. Denn zu spielen sei „ein ganz wichtiger Test beim Spieleerfinden. Grahams erstes Spiel kommt im Oktober auf den Markt.