Belgien nach den Anschlägen: Nun wackelt die Regierung

Nach schweren Vorwürfen wegen der Attentate von Brüssel reichen zwei Minister den Rücktritt ein. Derweil sucht die Polizei zwei weitere Verdächtige.

Jan Jambon mit gesenktem Haupt

Der Innenminister mit gesenktem Haupt – jetzt hat er seinen Rücktritt eingereicht Foto: dpa

BRÜSSEL taz | Einen Tag lang war Brüssel in Trauer vereint. Doch nun, am Tag zwei nach den Attentaten auf den Flughafen und die Metro, scheint der Burgfrieden zu brechen. Völlig überraschend reichten Innenminister Jan Jambon und Justizminister Koen Geens ihren Rücktritt ein. Premier Charles Michel habe das Gesuch abgelehnt, hieß es.

Mit seinem Rücktrittsgesuch reagieren die Minister offenbar auf Berichte, wonach die belgischen Behörden im Kampf gegen den Terror versagt haben. In den letzten Tagen sollen der israelische und der amerikanische Geheimdienst vor unmittelbar bevorstehenden Terrorakten gewarnt haben; die Israels wollen sogar Details über mögliche Anschlagsorte mitgeteilt haben.

Für großen Wirbel sorgte der türkische Staatschef Recep Erdogan mit seiner Behauptung, die belgischen Behörden hätten Hinweise der Türkei auf einen der mutmasslichen Täter ignoriert. Justizminister Geens hatte den Vorwurf noch am Mittwoch zurückgewiesen. Der Verdächtige sei nicht nach Belgien, sondern in die Niederlande ausgeliefert worden.

Auch EU-Kommissar Günther Oettinger goss Öl ins Feuer: „Wir müssen aber auch klar die Mängel bei den belgischen Sicherheitsbehörden ansprechen“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Es gebe allein in Brüssel mehrere verschiedene Polizeibehörden, die nicht ausreichend kooperieren. „Das kann nicht so bleiben“, so Oettinger.

Überraschend schnelle Ermittlungen

Allerdings werden die Vorwürfe nur teilweise durch die Fakten gedeckt. So war den belgischen Ermittlern am Freitag letzter Woche ein großer Schlag gelungen: Mit Salah Abdeslam setzten sie einen der wichtigsten Drahtzieher der Attentate von Paris fest. Abdeslam sei „Gold wert“ und wolle reden, heißt es in Brüssel.

Offenbar als Reaktion auf die Festnahme kam es dann zu den Attentaten, die 31 Todesopfer und mehr als 300 Verletzte forderten. Dass mit Terrorakten zu rechnen sei, hatte Belgiens Außenminister Didier Reynders schon am Samstag gesagt; die Behörden waren also nicht auf Hinweise ausländischer Geheimdienste angewiesen. Doch möglicherweise haben sie zu spät reagiert.

Überraschend schnell kommen nun aber die Ermittlungen voran. So sind bereits zwei Attentäter identifiziert: Es handelt sich um die Brüder Ibrahim und Khalid El Bakraoui, beide gebürtige Belgier. Sie haben sich im Flughafen und in der Metro in die Luft gesprengt.

Klar ist auch, dass zwischen den Attentaten von Paris und Brüssel ein Zusammenhang besteht. Darauf weist der Sprengstoff hin, der in einer Wohnung im Brüsseler Stadtteil Schaerbeek gefunden wurde. Derselbe Sprengstoff war bei den Attentaten am 13.11. in Paris verwendet worden.

Europaviertel nicht sicher

Allerdings sind immer noch mindestens zwei mutmassliche Terroristen auf der Flucht. Dabei handelt es sich um einen Mann mit Hut, den die Überwachungskameras unmittelbar vor dem Attentat am Flughafen gefilmt hatten – und um einen Verdächtigen mit schwerer Tasche, der mit dem Selbstmordattentäter in der Metro gesehen wurde.

Die Polizei hat eine Großfahndung ausgelöst. Sie legte stundenlang auch den zentralen Brüsseler Stadtteil Ixelles lahm, der auch bei Touristen sehr beliebt ist. Bisher war Ixelles noch nicht ins Visier der Polizei geraten – doch nach den Attentaten ist wohl kein Ort in Brüssel mehr wirklich sicher.

Dies gilt auch für das Europaviertel, wo sich am heutigen Nachmittag die EU-Innenminister zu einer Krisensitzung treffen wollen. Das Treffen war von Belgien beantragt worden. Doch nun ist nicht einmal mehr klar, ob daran auch der belgische Innenminister teilnimmt – oder ob sich Jan Jambon vertreten lässt.

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