Französischer Versorger EDF versinkt in Schulden

AKW Für Paris wird die Atomenergie zu einem immer größer werdenden finanziellen Desaster

PARIS taz | Die Arbeitnehmervertreter des französischen Energiekonzerns EDF (Electricité de France) lehnen das Projekt entschieden ab: Sie halten es für „suizidär“, sollte ihr Arbeitgeber angesichts der hohen Verschuldung auch noch 15 bis 20 Milliarden Euro in den äußerst kostspieligen Bau von zwei Atomreaktoren in Hinkley Point in Großbritannien investieren. Bereits der Bau der ersten beiden Prototypen dieser Druckwasserreaktoren in Finnland und in der französischen Normandie hat EDF weitere finanzielle Probleme gebracht.

EDF steckt in großen Schwierigkeiten: Bei einem Umsatz von 75 Milliarden Euro hat der Energieversorger Schulden in Höhe von 37,4 Milliarden Euro. Und als hätte EDF damit nicht genug Sorgen, musste der Energiekonzern auch noch einen Teil der Aktivitäten des staatlichen Atomkonzerns Areva übernehmen, der seinerseits rund 6 Milliarden Schulden hatte und mit einer staatlichen Kapitalerhöhung von 5 Milliarden saniert werden musste.

Die heikle Frage, ob EDF weiterhin auf Hinkley Point setzen soll, ist bei einer Krisensitzung vor einer Woche auf September verschoben worden. Bereits jetzt aber braucht EDF frisches Geld. Der französische Staat ist Mehrheitsaktionär, er hält einen Anteil von 85 Prozent. Von der beschlossenen Kapitalerhöhung in Höhe von 4 Milliarden Euro wird der Staat 3 Milliarden Euro tragen. Und das ist erst der Anfang: Beobachter gehen davon aus, dass die Verlängerung der Betriebsdauer der Atomanlagen in Frankreich auf mindestens vierzig Jahre rund 55 Milliarden Euro verschlingen wird. Rückbau und Entsorgung der AKWs werden außerdem viel mehr kosten, als EDF dafür zurückgestellt hat.

Die finanziellen Probleme zwingen die französische Staatsführung zu Entscheidungen. Noch vor der Sommerpause muss die Regierung mit einem mehrjährigen Energieplan offenlegen, wie es weitergeht.

Staatspräsident François Hollande hatte ursprünglich angekündigt, bis 2025 werde der Anteil der Atomenergie an der Stromproduktion von 75 Prozent auf 50 Prozent gesenkt. Bisher aber hat er nur die Stilllegung der ältesten noch laufenden Anlage in Fessenheim vor dem Ende seines Mandats im Frühling 2017 in Aussicht gestellt. Für Umwelt- und Energieministerin Ségolène Royal steht allerdings fest, dass der Ausstieg oder die Verringerung des Strom­anteils aus AKWs erst möglich ist, wenn die lange stiefmütterlich behandelten erneuerbaren Energiequellen genügend entwickelt sind. Also: nicht so bald.

Rudolf Balmer