zwischen den rillen
: Ein Trio auf der Jagd nach einem Gott in Palmyra

Nonkeen: „The Gamble“ (R&S/Al!ve)

Es ist eine rührende deutsch-deutsche Geschichte, die uns Nonkeen als Initialzündung für ihr Debütalbum verkaufen wollen. So hätten die beiden Musiker Frederic Gmeiner und Nils Frahm schon zu Schulzeiten in den Achtzigern in einem Hamburger Vorort mit Tonbandaufnahmen experimentiert. Dann stieß noch der Ostberliner Austauschschüler Sebastian Singwald dazu, der zum DDR-Korrespondenten ernannt wurde. Es gab Konzerte, bis die Band durch einen Unfall zur Auflösung getrieben wurde, hübsch arrangiert für ein Erinnerungsfoto im Booklet des nun erschienenen Albums „The Gamble“.

So weit die Legende von Nonkeen. Wahr ist offenbar, dass man sich 2008 erstmals zu Aufnahmen in Singwalds Keller einfand. Sie seien eine Feier­abendband, die sich in dreckigen Proberäumen treffe, behauptete Nils Frahm im Magazin Jazz Thing. Na ja, ihr Set-up, mit Gmeiner am Schlagzeug, Singwald am E-Bass und Frahm am Fender Rhodes und an Synthesizern gemahnt eher an Chick Corea. Mainstream­affin ist Frahm nicht erst, seit der Pianist einen Plattenvertrag beim Londoner Avantgarde-Label Erased Tapes erhielt. Daran ändert auch die amateurhaft anmutenden, auf alten Vierspur­rekordern festgehaltenen Sessions nichts, die es auf „The Gamble“ geschafft haben.

Schon seit Längerem versucht Frahm das Image vom romantisch verspielten Neo-Klassik-­Pianisten abzustreifen. Mit dem isländischen Elektroniker Ólafur Arnalds veröffentlichte er krautig pulsierende Studien, auch bei seinen Solokonzerten konnte man Interesse an Sampling, Loops und Synthie-Improvisation erkennen.

Die lebt er nun mit den Buddies Sebastian Singwald, gelernter Elektroingenieur und obendrein Keyboarder beim House-Trio Pupkulies & Rebecca, und dem Grafiker Frederic Gmeiner aus. Es raschelt und wabert, rauscht und pluckert auf diesen neun Tracks, nachdem Frahm sie per Laptop so verfremdet hat, dass gerade noch der Geist eines Jazz-Trios hindurchweht. Die Musik des Albums gebe nur Ansätze des Nonkeen-Outputs der letzten acht Jahre wieder, sagt Schlagzeuger Gmeiner.

Diese Lust am Fummeln und Frickeln hat „The Gamble“ gutgetan; es ist ein behagliches Kopfhöreralbum geworden. Bereits im Bandnamen stecke das Planlose, Unambitionierte, betont Gmeiner. Fehler, hervorgerufen durch Tapemanipulationen, wurden einfach ins Klangbild integriert, so wie auf „Pink Flirt“, das an den eisgekühlten Synthie-Pop eines John Foxx erinnert. Auch ein schlecht beleumundetes Genre wie New Age kommt einem in den Sinn, lauscht man den flirrenden Synthesizern im Auftaktsong „The Invention Mother“ und den minimalistischen, dahintropfenden Percussion- und Vibrafon-Sounds auf „Capstan“.

Dicke Beats gibt es auch, wenn auch durch Synthie-Hooks gedimmt. „Chasing God Through Palmyra“ kommt mit locker 160 bpm daher, geerdet vom italienischen Drummer Andrea Belfi. Frahms Fender Rhodes vermag immer wieder in retroselige Stimmung zu versetzen, auf dem in verwehtem Moll gehaltenen „Saddest Continent on Earth“ auf besonders hübsch berauschte Weise. Eine gekonnte Hommage an vergangene Vergnügen ist auch das Album-Cover, das symmetrisch angeordnete, farbige Lampen auf der Außenverkleidung eines Autoscooters zeigt. Der richtige Soundtrack für während spätnächtlicher Bahnfahrten auf braunen Cordsitzen erschlaffende Körper. Und dazu eine Waldmeisterbrause. Jan Paersch

Live: 16. und 17. 4., Radial­system, Berlin