Kommentar Proteste in Ägypten: Angestauter Ärger

Die Proteste gegen die Regierung scheinen erstickt, das Blutbad blieb aus. Doch der Nationalismus, den Al-Sisi schürte, richtet sich jetzt gegen ihn.

Ein Mann hält ein Plakat in die Luft, neben ihm breitet sich Rauch aus

Die Ägypter protestieren, die Regierung hält dagegen Foto: dpa

Der ägyptische Sicherheitsapparat hat es geschafft: Die Proteste vom Montag hat er ziemlich effektiv im Keim erstickt. Mehrere hundert Dissidenten wurden verhaftet, entweder schon im Vorfeld oder bei den kurzen Versuchen, zu demonstrieren. Für die Opposition war der Tag damit auch international nicht sehr medienwirksam, wenngleich mindestens 33 Journalisten festgenommen wurden.

Immerhin, das befürchtete Blutbad blieb aus. Genauso wie die Hoffnung mancher Ägypter enttäuscht wurde, einen Wendepunkt gegen das Militärregime von Abdel Fattah al-Sisi zu setzen. Angekündigt war ursprünglich ein Protesttag gegen den „Verkauf des Landes“, ausgelöst von einem Deal zwischen dem ägyptischen Präsidenten al-Sisi und dem saudischen König Salman. Laut diesem gibt Ägypten zwei strategisch wichtige Inseln am Golf von Akaba an Saudi-Arabien ab, das das Nilland nun seit Jahren mit Milliarden-Dollar-Spritzen über Wasser hält.

Jahrelang hatten al-Sisi und das Militär versucht, die Menschen durch einen im Land verbreiteten starken ägyptischen Nationalismus hinter sich zu mobilisieren. Nach der Abgabe der Inseln an Saudi-Arabien wendet sich dieser selbst geschürte Nationalismus nun gegen sie. Ägypten erlebt derzeit die größte Protestwelle seit einem De-facto-Demonstrationsverbot, das seit November 2013 gilt.

Für viele Demonstranten geht es aber nicht nur um die Inseln im Roten Meer. Ihr angestauter Ärger über einen völlig rechenschaftsfrei agierenden Sicherheitsapparat, die grassierende Korruption, ineffektive staatliche Dienstleistungen und Preissteigerungen macht sich hier Luft. Dabei gerät das Regime immer mehr in Panik, auch weil viele Ägypter, die nicht auf die Straße gehen, längst die Hoffnung verloren haben, dass es der „starke Mann al-Sisi“ richten wird.

Stück für Stück versuchen nun die Unzufriedenen die Straße zurückzuerobern, mit bisher friedlichen Protesten nach einer Veränderung zu rufen. Die Frage ist, wie lange es die Regierenden in Ägypten noch schaffen, diesen Raum, sich auf der Straße politisch auszudrücken, verschlossen zu halten. Je länger sie das tun, umso mehr wird der Extremismus im Untergrund wachsen. Das wäre dann das Gegenteil von Stabilität und damit auch das Gegenteil dessen, was sich der Westen in Ägypten erhofft.

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