Mozarts „Don Giovanni“ zensiert?: Kein Sex in der Türkei

Zwei italienische Zeitungen sagen, die Komische Oper Berlin habe Mozarts Oper „Don Giovanni“ aus Rücksicht auf Ankara zensiert. Die Oper verneint.

Eine Frau im weißen Kleid und ein Mann im lila Gewand auf einer Bühne

Darf dieser „Don Giovanni“ an der Komischen Oper keine türkischen Frauen mehr verführen? Foto: Monika Rittershaus

BERLIN taz | Don Giovanni ist ein Schwerenöter. Daran gibt es wenig zu zweifeln. Doch eine interessante Figur ist der Frauenheld allemal, manche Interpreten sehen in ihm nicht einmal einen Sexisten. Und Mozarts Oper „Don Giovanni“ war in der Bundesrepublik Deutschland bisher schon gar kein Gegenstand von Zensur.

Das soll sich inzwischen geändert haben. So sehen es zumindest die italienischen Tageszeitungen Il Fatto Quotidiano und Il Giornale. „Um Ankara nicht zu verstimmen, zensiert Deutschland sogar Mozart: Text von ‚Don Giovanni‘ abgeändert“, titelte Il Fatto Quotidiano am 29. April. Und Il Giornale legte einen Tag später nach: „Auch Don Giovanni wird gezwungen, vor den Türken einzuknicken“.

Was ist passiert? Die Komische Oper Berlin hat den Text einer Arie des Leporello, „Madamina, il catalogo è questo“, abgewandelt, in dem der Diener Don Giovannis pedantisch die Eroberungen seines Herrn auflistet: „In Italia seicento e quaranta, in Alemagna duecento e trentuna, cento in Francia, in Turchia novantuna“, heißt es im Italienischen Libretto. Auf Deutsch singt Leporello: „In Italien sechshundert und vierzig, hier in Deutschland zweihundert und dreißig, hundert in Frankreich, und neunzig in Persien“.

Persien statt der Türkei? Das kann nur vorauseilender Gehorsam gegenüber Ankara sein, so die Vermutung der Zeitungen unter Verweis auf die Zensurbemühungen beim Komiker Jan Böhmermann. Die Komische Oper reagierte am 3. Mai mit einer Pressemitteilung: „Die aktuelle Produktion von Regisseur Herbert Fritsch feierte am 30. November 2014 in einer eigens für die Inszenierung erstellten Textfassung von Sabrina Zwach Premiere. Sie wird seitdem im Text unverändert gespielt“, ist dort zu lesen.

In der Übersetzung gehe es um Sprachrhythmus und Singbarkeit. Streng genommen stimmen nämlich auch die Zahlen nicht mit dem Original überein: „duecento e trentuna“ entspricht auf Deutsch der Zahl 231, und „novantuna“ sind 91. Aktuelle Ereignisse hingegen hätten keine Rolle gespielt. Die Chronologie der Ereignisse spricht für die Darstellung der Oper. Andernfalls müsste es sich um einen Fall von zeitlich sehr weit vorauseilendem Gehorsam handeln.

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