Arbeitsmarktreform in Frankreich: Misstrauensvotum statt Votum

Die Reform des Arbeitsrechts bringt dem französischen Premierminister ein Misstrauensvotum ein. Das könnte die Regierung zu Fall bringen.

Eine Frau auf der Demo gegen die Arbeitsrechtsreform in Frankreich schreit

Pariser protestieren gegen die Arbeitsrechtsreform, doch Hollande und Valls wollen nicht hören Foto: dpa

PARIS taz | Die französische Regierung hat die sehr umstrittene und wegen starken Widerstands mehrfach abgeänderte Vorlage einer Arbeitsmarktreform ohne Abstimmung und ohne weitere Debatte über insgesamt 5.000 zusätzliche Änderungsanträge für angenommen erklärt. Das darf die Regierung in Frankreich aufgrund des Verfassungsartikels 49-3.

Sehr demokratisch wirkt es dennoch nicht. Doch ein Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt, dass die meisten Regierungen der Fünften Republik seit 1958 zu dieser legalen Holzhammermethode griffen, wenn sie für die Durchsetzung einer unbeliebten Politik keine sichere Mehrheit im Parlament hatten. Was also auf den ersten Blick autoritär aussieht, drückt vielmehr Schwäche aus oder ist sogar das Eingeständnis von Machtlosigkeit.

Das ist heute die Ausgangslage bei der von der Regierung gewünschten Reform des französischen Arbeitsrechts. Es ist ihr nicht gelungen, die Volksvertreter, die Parteien und die Sozialpartner vom Nutzen der Reform zu überzeugen. Die Vorlage gefällt nach zahlreichen Korrekturen und Konzessionen im Gegenteil immer weniger und passt niemandem mehr: weder den Arbeitgebern, die ursprünglich diese Reform gefordert hatten, noch den Gewerkschaften, die das Ganze als „neoliberalen“ Angriff auf die Rechte der Arbeitnehmer ablehnen.

Einmal mehr hat sich so in Frankreich gegen ein Reformvorhaben eine heterogene Mehrheit mit unterschiedlichsten Interessen gebildet. Weil sich die Debatten in der Nationalversammlung in die Länge zogen und sich keine Mehrheit abzeichnete, hat die Regierung am Dienstag resigniert beschlossen, sich mittels Artikel 49-3 über alle Einwände und Proteste hinwegzusetzen.

Die rechten und linken Kritiker

Die Opposition hat jetzt laut Verfassung nur die Möglichkeit, eine Vertrauensabstimmung zu beantragen. Fällt die Regierung dabei durch, gilt auch die von der Exekutive mit dem Artikel 49-3 durchgedrückte Vorlage als verworfen. Genau dies wollen jetzt die konservativen Abgeordneten der Nationalversammlung mit ihrem Misstrauensantrag erreichen.

Jetzt könnte das nicht nur eine hilflos wirkende Geste ohne Aussicht auf Erfolg sein. Denn die Rechtsparteien können wohl bei der Abstimmung am Donnerstag auch auf die Unterstützung der linken Gegner der Arbeitsmarktreform rechnen: Auf das Risiko hin, die sozialistische Regierung zu Fall zu bringen, wollen VertreterInnen der Linkspartei, Kommunisten und Grünen dem Antrag zustimmen.

Erreicht er eine absolute Mehrheit, muss Staatspräsident François Hollande eine neue Regierung bilden. Nichts würde ihn allerdings daran hindern, erneut den bisherigen Premierminister Manuel Valls mit der Bildung eines Kabinetts zu beauftragen.

Der Präsident ist nicht verpflichtet, Neuwahlen anzusetzen. Freilich wäre eine Niederlage der regierenden Sozialisten bei einer Vertrauensabstimmung, ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen, eine verheerende Schlappe und eine Niederlage für die Regierungspartei, die mehr denn je gespalten würde.

Die internen Kritiker

Wirklich brenzlig könnte es für Valls werden, wenn auch der linke Flügel der Sozialisten seine Drohung wahrmacht, der Regierung beim Votum die Gefolgschaft zu verweigern. Das wäre für die Parteiführung des Parti Socialiste allerdings eine „rote Linie“, die nicht überschritten werden dürfe. Sie droht den „Dissidenten“, wie sie die internen Kritiker nennt, für den Fall der Gehorsamsverweigerung mit Parteiausschluss.

Valls, der die von Hollande gewollte Reform auf Biegen oder Brechen durchsetzen will, riskiert nicht nur den Sturz der Regierung – und damit seinen Job als Premier. Er nimmt auch eine schwere Krise seiner Partei in Kauf. Die Arbeitsministerin Myriam El Khomri sagte im Fernsehen, sie könne nicht verstehen, dass gewisse „linke“ Parteikollegen auch nur mit der Idee spielen könnten, einen Antrag der Rechten gegen die Linksregierung zu unterstützen: „Ein Abgeordneter, der mit der Rechten stimmt, ist ein rechter Abgeordneter.“

Auch wenn Grüne, Kommunisten, Linkspartei und ein paar dissidente „Frondeurs“ mit den Bürgerlichen votieren, würden dem inzwischen für Donnerstag angesetzten Misstrauensantrag immer noch rund 50 Stimmen für eine Mehrheit fehlen, meint die Regierung zuversichtlich. Unabhängig von der parlamentarischen Arena geht der Widerstand gegen die Reform auf der Straße weiter. Die aus der Ablehnung der Loi El Khomri hervorgegangene Protestbewegung „Nuit Debout“ hat mit Empörung auf das Vorgehen der Regierung reagiert. Sie erhielt dadurch sogar erneut Auftrieb.

In mehreren Städten des Landes haben am Dienstagabend Tausende demonstriert. In Toulouse kam es dabei zu schweren Zusammenstößen mit der Polizei. Die Gewerkschaftsverbände haben für den 17. und 19. Mai weitere Protestaktionen angekündigt.

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