Visum-Liberalisierung für die Türkei: Der Deal wackelt

Im Machtkampf um den Flüchtlingsdeal reagiert das EU-Parlament zögerlich. Die Türkei droht damit, Flüchtlinge loszuschicken.

Türkischer Demonstrant nahe Istanbul

Warten auf die Visa-Liberalisierung: Noch ist nichts entschieden Foto: dpa

BRÜSSEL taz | Platzt der umstrittene Flüchtlingsdeal mit der Türkei? Seit der Entmachtung des türkischen Premiers Ahmet Davutoğlu durch Präsident Recep Erdoğan treibt diese Frage die Europäer um. Die EU-Kommission sieht keinen Grund, den Deal infrage zu stellen.

Aus dem Europaparlament kommen aber andere Signale. „Ich sehe nicht, wie die Türkei das noch schaffen kann“, sagte Parlamentspräsident Martin Schulz. Es sei „absolut außerhalb jeder Diskussion“, dass die EU-Abgeordneten Beratungen über ein Vorhaben beginnen würden, für das die Voraussetzungen fehlten, sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk.

Auch der Innenausschuss des Parlaments schaltet auf stur. „Es ist inakzeptabel, dass die EU-Kommission der Türkei einen politischen Rabatt gibt und die Beratungen beginnt, bevor alle Kriterien erfüllt sind“, sagte die innenpolitische Sprecherin der sozialdemokratischen EU-Abgeordneten, Birgit Sippel.

Der Streit dreht sich vor allem um die versprochene Visa-Liberalisierung. Zwar hatte die Kommission empfohlen, die Visumpflicht für die rund 80 Millionen Türken Ende Juni abzuschaffen. Die Türkei hat jedoch noch nicht alle 72 Bedingungen für die Liberalisierung erfüllt. Und das hat sie offenbar auch nicht vor. „Geh deinen Weg. Wir gehen unseren Weg“, hatte Erdoğan Ende letzter Woche gedroht. Man werde die Antiterrorgesetze nicht ändern, setzte Europaminister Volkan Bozkır nach.

„Angesichts des intensiven Kampfes gegen den Terrorismus können wir uns nicht den Luxus erlauben, diese Änderungen vorzunehmen“, so Bozkır. Das Gesetz in der Türkei entspreche ohnehin schon EU-Standards, sagte er am Mittwoch.

Erdoğan denkt nicht an Reformen

In Wahrheit legt die Türkei das Gesetz willkürlich aus. Sogar Journalisten und Wissenschaftler werden wegen „Terrorismus“ vor Gericht gezerrt. Zudem nutzt die Türkei die Antiterrorparagrafen für ihren Krieg in den Kurdengebieten. Das will die EU ausschließen. Zudem fordert sie Reformen beim Datenschutz und der Zusammenarbeit der Polizeibehörden. Die Türkei ist wichtigstes Transitland für Kämpfer des „Islamischen Staats“ nach Europa.

Die Türkei nutzt die Antiterror-Paragrafen für den Krieg in den Kurdengebieten

Ankara müsste die Reformen sofort auf den Weg bringen, um den Deal nicht zu gefährden. Doch Erdoğan denkt nicht daran. Nicht die türkische Regierung, sondern das EU-Parlament müsse sich bewegen, sagte Erdoğan-Berater Burhan Kuzu. „Wenn es die falsche Entscheidung trifft, schicken wir die Flüchtlinge los.“

Wie reagiert die EU? Mit Schweigen und versöhnlichen Signalen. Am Mittwoch wollte Schulz mit Europaminister Bozkır beraten, ob die Zeitpläne angepasst werden können. Statt Ende Juni könnte die Visafreiheit dann im Oktober kommen.

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