Bremer Protest gegen NS-Verdrängung: Mahnwache am „Adolf-Maass-Platz“

Die Fläche vor dem Stammsitz von Kühne+Nagel ist nun nach Adolf Maass benannt: Der jüdische Teilhaber der Spedition starb in Auschwitz

Platztaufe als Protestform: Bremer Jusos und Grüne Jugend auf dem neuen „Adolf-Maass-Platz“ Foto: Kay Michalak/Fotoetage

Die baumbestandene Fläche zwischen der Bremer Kaisenbrücke und dem Fimensitz von Kühne+Nagel heißt nun Adolf-Maass-Platz. Mit dieser Benennung wolle man des ermordeten jüdischen Teilhabers der Spedition gedenken, erklärte Alexandra Werwath, Sprecherin der Grünen Jugend Bremen. Zusammen mit den Jusos hielt die Grüne Jugend eine Mahnwache vor Kühne+Nagel ab.

Der heute weltweit drittgrößte Logistik-Konzern hatte sich im „Dritten Reich“ das Monopol für den Abtransport sämtlicher Besitztümer der aus Westeuropa deportierten jüdischen Familien gesichert. Maass musste das Unternehmen schon im April 1933 verlassen, 1945 wurde er zusammen mit seiner Frau Käthe in Auschwitz ermordet.

Am 8. Mai. dem Tag der Befreiung vom Faschismus, forderten Jusos und Grüne Jugend abermals, dass sich Kühne+Nagel mit seiner NS-Geschichte auseinandersetzt.

Bei Kühne+Nagel sind Familien- und Firmengeschichte eng mit einander verwoben: Klaus-Michael Kühne müsste aus dem Schatten von Vater und Onkel treten, um die Geschichte seiner Firma in der NS-Zeit kritisch und gründlich aufzuarbeiten. Zu Beginn seines kürzlich zu Ende gegangenen Jubiläumsjahres erklärte das Unternehmen, seinen Aktivitäten im „Dritten Reich“ habe es „an Relevanz gemangelt“ – obwohl die taz das Unternehmen da längst auf detailliertes Quellenmaterial hingewiesen hatte.

Später machte Kühne+Nagel angesichts der Veröffentlichungen scheibchenartige Eingeständnisse – weigert sich aber, HistorikerInnen Einblick in die damaligen Firmenakten zu gewähren.

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2015 bis 2022: Von der taz-Kampagne „4 Qm Wahrheit“ bis zum Bau des Arisierungsmahnmal in Bremen

Kühne+Nagel: Das Logistikunternehmen Kühne+Nagel (K+N) feiert 2015 auf dem Bremer Marktplatz sein 125-jähriges Jubiläum und stellt dabei die Firmengeschichte zur Schau. Die taz recherchiert die fehlenden Fakten, u.a. die maßgebliche Beteiligung der Firma am Abtransport der Wohnungseinrichtungen der deportierten jüdischen Bevölkerung in ganz Westeuropa.

Crowdfunding: Unter dem Motto „4 Qm Wahrheit“ werden 27.003 Euro für den Kauf von 4 Quadratmeter Boden auf dem Platz gesammelt, auf dem K+N in Bremen seinen Neubau errichten will – als Standort für ein Mahnmal.

Kaufangebot: Die taz bietet der Stadt Bremen den doppelten Quadratmeterpreis wie K+N. Das Angebot wird abgelehnt, involviert aber Finanz- und Bauausschuss in die Thematik.

Gestaltungs-Wettbewerb: Die taz sammelt Ideen, wie „die Totalität der,Verwertung' jüdischen Eigentums in Gestalt eines Mahnmals visualisiert werden könnte. Unter den 60 Teilnehmenden des Gestaltungs-Wettbewerbs aus ganz Deutschland und Österreich sind sowohl bekannte Künst­le­r:in­nen als auch Schulklassen. Der Wettbewerb löst zahlreiche familienbiographische Nachfragen und Auseinandersetzung aus. Der Entwurf von Evin Oettingshausen kommt auf Platz 1.

Die taz veranstaltet am 3. November 2016 ein Symposium in der Bremischen Bürgerschaft: „Arisierung“ – über den Umgang mit dem Unrechts-Erbe.

Alle Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft beschließen im November 2016 den Bau des Mahnmals.

Langes Ringen um den „richtigen“ Standort in Bremen: Soll das Mahnmal bei Kühne+Nagel, am Europahafen, an der Jugendherberge oder irgendwo dazwischen verortet werden?

Dynamik: Parallel zum politischen Prozess entstehen, ausgelöst von der Kampagne „4 qm Wahrheit“, künstlerische Aktionen, temporäre Mahnmale, Masterarbeiten, internationale Ausstellungsbeiträge, Radioreportagen und Regionalromane.

Ergebnis: Am 1. Februar 2022 beschließt der Bremer Senat den Bau des Mahnmals – zwischen Kaisenbrücke und den Bremer Weserarkaden, schräg unterhalb des Firmengebäudes von Kühne+Nagel.

Eröffnung: Am 10. September 2023 wurde das „Arisierungs“-Mahnmal eröffnet. Begleitinformationen finden sich auf der Webseite: geraubt.de

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