Inklusion im Sport: Vorsprung durch Technik?

Eine Studie sollte klären, ob Prothesenspringer Markus Rehm an Olympia teilnehmen darf oder nicht. Das Ergebnis fällt zweideutig aus.

Markus Rehm bei einem Weitsprung-Versuch. Er fliegt durch die Luft

Für Markus Rehm geht es um mehr als nur eine Medaille bei Olympia Foto: dpa

KÖLN taz | Markus Rehm hat seine ganz eigene Technik, auch bei der Verwendung von Kopfhörern. So lauscht der 27-jährige Paralympics-Sieger von London den Worten der Simultandolmetscherin mit einer gewissen Lässigkeit. Die eine Hälfte seines Kopfhörers hält er ans linke Ohr, die andere baumelt nutzlos in der Luft – während die Wissenschaftler aus Tokio, Köln und Boulder im US-Bundesstaat Colorado die Ergebnisse ihrer Studie präsentieren.

Die Forscher stellten Untersuchungen darüber an, ob unterschenkelamputierte Weitspringer wie Rehm durch ihre Prothese Vor- oder Nachteile gegenüber nichtbehinderten Sportlern haben. Das Ergebnis: Sowohl als auch.

„Wir konnten Nachteile beim Anlauf feststellen, die eindeutig der Prothese zugewiesen werden konnten. Auf der anderen Seite haben wir Vorteile bei der Sprungeffizienz erkannt“, erläutert Wolfgang Potthast.

Zwei Erkenntnisse, die der Professor vom Institut für Biomechanik und Orthopädie der Deutschen Sporthochschule Köln so zusammenführte: „Es gibt völlig unterschiedliche Bewegungstechniken bei behinderten und nichtbehinderten Weitspringern, die sich nach aktuellem Stand nicht eindeutig gegeneinander aufwiegen lassen.“

Deutscher Meister bei den nichtbehinderten Sportlern

Für Markus Rehm ist das Resultat klar genug, um seinen Start bei den Olympischen Spielen in Rio weiterhin für möglich zu halten – gerne auch in getrennten Wertungen. Ins Visier nimmt er dabei vor allem den Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF), der mit einer Regeländerung dafür gesorgt hat, dass die Athleten nachweisen müssen, durch Hilfsmittel wie Carbon-Prothesen keinen Vorteil zu haben. Das sei mit der nun präsentierten Studie der Wissenschaftler erfolgt, sagt Rehm, spricht von einem „schönen Ergebnis“ und betont: „Im Zweifel für den Angeklagten – nach dem Motto könnte ich jetzt versuchen, mich einzuklagen. Aber das ist nicht meine Absicht.“

Bei den Paralympics 2012 gewann Rehm Gold im Weitsprung. Zwei Jahre später wurde er mit 8,24 Metern deutscher Meister – bei den nichtbehinderten Sportlern. Am vergangenen Mittwoch schaffte er in Innsbruck mit 8,18 Metern als erster deutscher Weitspringer die Norm für Rio – und geht nun die IAAF an.

„Ich verstehe ernsthaft nicht, was dagegen spricht, sich an einen Tisch zu setzen“, sagt Rehm. Unterstützt von Friedhelm Julius Beucher, dem Präsidenten des Deutschen Behindertensportverbandes, der betont: „Der Weltverband kann sich nicht in die Büsche schlagen. Wir werden in dieser Sache Klarheiten einfordern.“

Eine Entscheidung wird es frühestens beim IAAF-Council im Juni geben. „Mir geht es nicht um eine Medaille bei den Nichtbehinderten. Ich möchte die paralympischen und die olympischen Spiele zusammenbringen“, erklärt Rehm. „Das wäre ein großes Zeichen – für den ganzen Sport.“

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